
Der Arbeitsmarkt ist bei der Regierungsklausur am Mittwoch ganz oben auf der Agenda gestanden. Angesichts dessen verweisen Expertinnen auf den hohen Fachkräftebedarf in sogenannten Zukunftsbranchen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Alleine für die Umsetzung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) brauche es entlang der Wertschöpfungskette zwischen 2021 und 2032 insgesamt 254.000 Vollzeitäquivalente, erklärte IHS-Sozioökonomin Kerstin Plank am Mittwoch.
Methodisch sei es jedoch nicht möglich gewesen, die zusätzlich benötigten Arbeitskräfte zu errechnen, ergänzte Plank, die betont von „Gegenwartsbranchen“ sprach. Das Ziel des EAG ist die Stromversorgung des Landes bis 2030 vollständig auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. „Dabei haben die Photovoltaik und Windkraft die größten Anteile mit 11 bzw. 10 Terawattstunden zusätzlich“, so Plank.
Vor allem Photovoltaik (PV) und Wasserkraft bringen der Expertin zufolge in absoluten Zahlen die größten Beschäftigungseffekte, die zum Großteil im Land bleiben. Bei der Windkraft hingegen, so Plank, blieben die gesamten Investitionen im Ausland. Langfristig gesehen, würden bei erneuerbaren Energien sehr viel mehr Beschäftigungseffekte als bei fossilen Energieträgern entstehen und bestehen, fügte die Ökonomin hinzu.
„Mehr Interesse“ notwendig
Was den Arbeitsmarkt betrifft, braucht es Plank zufolge grundlegend „mehr Interesse“ an den Themen. Programme dafür sind zumindest in Wien und Niederösterreich laut den Studien zumindest vorhanden. Für den Bau einer kleinen PV-Anlage reiche oftmals ein Lehrabschluss im Technikbereich, während für größere Anlagen der Abschluss einer HTL, oder mehrmals auch einer Fachhochschule oder Universität notwendig sei. „Vor allem bei der PV wird die Elektrik als Haupt-Bottleneck (Engpass) beschrieben“, sagte Plank. „Hier braucht es wirklich eine technische Langzeitausbildung.“ Aber auch im Bereich Verkauf, Controlling oder bei den Behörden sei Personal notwendig.
„Insgesamt haben wir sehr große wachsende Bedarfe nach Absolventinnen und Absolventen mit elektrotechnischer Langausbildung festgestellt auf allen Ebenen“, betonte die Expertin. Kurze Weiterbildungsmöglichkeiten können zusätzlich ein „Sprungbrett in die Branche“ darstellen. Zudem müsse der Fokus auf Frauen und Mädchen gerichtet werden. Zwar sei es nicht mehr zielgerichtet in den Schulen für 2030 dafür zu werben, aber auch bis dahin wird der Ausbau vermutlich nicht abgeschlossen sein.
Plank rät zur Erschließung neuer Zielgruppen und der Darstellung von realistischen Berufsbildern. Die Branche erfahre eine „immer größere Wertschätzung“, die Menschen hätten das Gefühl „einen wichtigen Beitrag“ zu leisten. Die Expertin sieht dabei auch die Unternehmen in der Verantwortung, eine größere Bereitschaft zur Ausbildungen von Lehrlingen zu zeigen.
Das Problem mit der Demografie
Die Wifo-Ökonomin Julia Bock-Schappelwein bestätigt die große Nachfrage von klimarelevanten Berufen am Arbeitsmarkt. Am meisten gefragt seien Elektrotechnikerinnen und -techniker sowie Elektrikerinnen und Elektriker, so die Expertin. Das Problem der alternden Gesellschaft verschärfe die Situation am Arbeitsmarkt. „Genau in dieser Phase der Veränderung sehen wir uns mit einer Bevölkerung konfrontiert, die im erwerbstätigen Alter sinkt und wenig junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten“, sagte Bock-Schappelwein. Dabei würden besonders Personen mit einer mittleren Qualifikation abgehen, „die oftmals in diesen Bereichen fehlen“.
Die Arbeitspsychologin Andrea Egger vom Beratungsunternehmen EVACON sieht vor allem Beschäftigungspotenzial in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Dort brauche es nur sehr wenige Qualifikationen, so Egger. „Sozialökonomische Betriebe greifen das Thema auf“, betonte die Expertin. „Am Beginn braucht es sehr hoch qualifizierte Kräfte, danach Menschen, die hingreifen.“ Lobende Worte gab es von Egger für die Umweltstiftung. Diese heimische Stiftung zur Förderung der Ausbildung von Fachkräften für „Green Jobs“ würde international bewundert werden.
APA