
Energie. Wer keinen Handelskrieg mit Amerika wolle, müsse doch nur Hunderte Milliarden für amerikanisches Öl und Gas überweisen, sagt US-Präsident Donald Trump in Richtung Europa. Die falsche Idee zur falschen Zeit.
Manchmal ist alles doch viel einfacher, als man denkt. Schon bevor Donald Trump am späten Mittwochabend eine 90-tägige Feuerpause bei seinem Zollfeuerwerk verkündete, hatte der US-Präsident für Europa eine ganz simple Lösung parat, wie es den drohenden Handelskrieg zur Gänze abwenden könnte: Die EU müsse nur 350Milliarden US-Dollar (316Mrd. Euro) für zusätzliche Öl- und Gasimporte aus den USA auf den Tisch legen und schon wäre der ganze Spuk vorbei, sagte der Republikaner zu Wochenbeginn.
Etliche asiatische Staaten wie Japan, Südkorea, Thailand und Indonesien haben bereits versprochen, auf ähnliche Deals eingehen zu wollen, um Trump zu besänftigen. Der europäische Energiekommissar stellte zwar zusätzliche Gaskäufe in Aussicht, in Summe aber waren die Reaktionen weit weniger begeistert. Und das hat gute Gründe.
Mehr als die USA produzieren
So liegt die Zurückhaltung unter anderem daran, dass es bei den amerikanischen Flüssiggaslieferungen nach Europa gar nicht mehr so viel Luft nach oben gibt, wie Trump suggeriert. Nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine wurden die USA rasch zum größten LNG-Lieferanten der EU. Im Vorjahr kamen 45Prozent des gesamten Flüssiggasbedarfs der EU von amerikanischen Lieferanten, sagt das Analysehaus ICIS. Das ist dreimal mehr als noch 2021. Das befeuert auch Kritiker, die schon jetzt meinen, Europa würde sich mit seinem Wechsel weg von Russland und hin zu den USA bei seinen Gaslieferungen nur von einer Abhängigkeit in die nächste bewegen.
Das Ausmaß an künftigen Energielieferungen, das Donald Trump nun vorschwebt, sprengt aber ohnedies alle Möglichkeiten – und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks. Würde Europa wirklich 350Milliarden US-Dollar für fossile Energie aus den USA ausgeben, erhielte es dafür rund 16Millionen Fass (159Liter) Erdöl am Tag. Das ist mehr, als Amerika derzeit täglich produziert. Auch eine deutliche Ausdehnung der Flüssiggasexporte könnten die USA gar nicht so rasch stemmen, sagen die Analysten von Rystad Energy. Zwar will Trump den Bau von LNG-Exportterminals wieder erlauben bzw. beschleunigen. Aber selbst wenn das gelingt, könnten die USA ihr Exportvolumen frühestens im Jahr 2030 verdoppeln.
Europa will weniger Gas
In Europa wiederum kommt der Vorschlag vor allem im falschen Moment. Die von Trumps Handelskrieg mit ausgelöste Abschwächung der Konjunktur zieht auch die Nachfrage nach Erdgas nach unten. Heuer dürfte der Bedarf in Europa um 3,6Prozent sinken, sagt ICIS. Im Rest der Welt sieht es nicht anders aus, weshalb der europäische Gaspreis zuletzt etwas gefallen ist. Doch schon die Aussicht auf eine Zollpause zog Europas Gaspreis am Donnerstag wieder deutlich nach oben.
Einfluss auf die Preise wird auch China nehmen. Das Land war bisher der größte Flüssiggaskunde der Vereinigten Staaten, verzichtet nun aber schon seit 60Tagen auf US-LNG. Energiekonzerne schicken ihre bestellten Mengen in Richtung Europa weiter, was ebenfalls zu einem größeren Angebot und niedrigeren Preisen führt. Mittelfristig könnten sich die Lieferrouten aber zu Ungunsten der EU ändern, erwartet Oliver Kerr von Aurora Energy Research. Er rechnet damit, dass künftig mehr Flüssiggas aus den USA direkt in den pazifischen Raum geliefert werde, was den Weg nach Europa weit und damit die Preise wieder teurer machen könnte.
Dazu kommt, dass Europa eigentlich darum bemüht ist, weniger statt mehr Gas einzukaufen. Das gilt sowohl langfristig, da sich die EU ja das strategische Ziel gesetzt hat, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, als auch ganz unmittelbar.
Speicher langsamer füllen
Am Dienstag suchten die EU-Mitgliedstaaten etwa auf Initiative von Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, der Slowakei, den Niederlanden und Österreich nach einem Weg, ihre eigenen strengen Gas-Speicherziele zu lockern. Bis dato sind die EU-Staaten verpflichtet, ihre Gasspeicher am ersten November zu 90Prozent gefüllt zu haben. Da die Speicher aktuell aber nur zu einem Drittel gefüllt und damit so leer wie zuletzt 2022 sind, würde das starre 90-Prozent-Ziel die EU zwingen, 250Schiffsladungen an LNG zusätzlich zu kaufen, sagen Kritiker. Und das in einem Moment, in dem diese riesige Gasmenge erstens nicht unbedingt günstig zu haben ist und zweitens gar nicht gebraucht werde.
Die EU will deshalb das Speicherziel um zehn Prozentpunkte lockern und sieht auch keinen strengen Stichtag mehr für die Erfüllung des Zieles vor. Die Rede ist nun von einer 80-Prozent-Quote, die irgendwann bis Jahresende erreicht werden solle.
Raum, um Donald Trump im Rahmen eines etwaigen Zoll-Deals die eine oder andere Schiffsladung LNG zusätzlich abzukaufen, gibt es allerdings auch dann noch mehr als genug. Die Analysten von Kpler schätzen, dass Europa seine Speicher laut der neuen Regelung bis zum ersten November zu 76 bis 78Prozent gefüllt haben sollte. Auch um dieses Ziel zu erreichen, brauchte die EU 120 zusätzliche Schiffsladungen an Flüssiggas.
von Matthias Auer
Die Presse