
Die Vereinigten Arabischen Emirate arbeiten an ihrem Geschäftsmodell für die postfossile Zeit. Für Österreichs Wirtschaft bietet das interessante Chancen, wie das Beispiel OMV zeigt.
Ein wenig erinnert die Szenerie an den Fantasyroman „Der Herr der Ringe“. Wie das Auge von Sauron ist das Solarkraftwerk von al-Maktoum bereits aus gut 20 Kilometern Entfernung als hell leuchtender Fleck deutlich über dem Horizont erkennbar. 263 Meter ragt der Turm in die Höhe, an dessen Spitze das Sonnenlicht von Tausenden rund um den Turm aufgestellten Spiegeln konzentriert wird. Dadurch wird eine Salzlösung auf bis zu 1000 Grad erwärmt und damit dann Strom erzeugt. 3600 Megawatt beträgt die gesamte elektrische Leistung von al-Maktoum. 700Megawatt entstehen dabei durch die spektakuläre Solarthermie, den Rest steuert Photovoltaik bei. Das Kraftwerk ist damit heute schon das größte Solarkraftwerk der Welt. Und es wächst weiter. Bis 2030 wird die Kapazität auf 7600 Megawatt erweitert. Zum Vergleich: große Gaskraftwerke wie Mellach bei Graz oder Wien Simmering haben Leistungen von 800 bis 1200 Megawatt.
Nachhaltiger Sonnenstrom als Energie der Zukunft. Das ist die Vision in einem Land, das eigentlich genug andere Energie zur Verfügung hat. Denn al-Maktoum befindet sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) – mit einer Tagesproduktion von 4,1 Mio. Fass einer der größten Öl- und Gasproduzenten der Welt. Doch auch am arabischen Golf ist allen klar, dass das Verbrennen fossiler Treibstoffe ein Ablaufdatum hat. Und daher arbeitet man an einem Konzept für die Zeit danach. Bei diesem kommt auch Österreich ins Spiel. Denn die Ölgesellschaft Abu Dhabis, Adnoc, baut zusammen mit der OMV gerade den viertgrößten Chemiekonzern der Welt. Veredeln statt verbrennen lautet das Zukunftsmotto für das schwarze Gold sowohl in den Emiraten als auch beim heimischen Ölkonzern. Dafür haben die OMV und Adnoc bereits 2001 das gemeinsame Chemie-Joint-Venture Borouge geschaffen. Es wird nun mit der OMV-Chemietochter Borealis und dem kanadischen Konzern Nova Chemicals in einem Triple-Merger zusammengeführt.
Neue Größenordnung. Es sei eine „historische Vereinbarung“, die hier Anfang März nach zwei Jahren Verhandlungen geschlossen wurde, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, den seine erste Auslandsreise in seiner neuen Funktion in der vergangenen Woche deswegen auch in die Emirate geführt hat. Der Deal sei in einer Größenordnung, die von der OMV „nie allein gestemmt hätte werden können“, so OMV-Finanzvorstand Reinhard Florey. Größer in der Produktion von Kunststoffgranulat seien nun nur mehr zwei chinesische Unternehmen, die aber vor allem in China tätig seien, und der US-Riese Exxon.
Für Österreich bringe die Fusion eine wirtschaftliche Größenordnung, „die wir bisher in dieser Form nicht kennen“, so Florey. Auf deutlich über 40Milliarden Euro soll sich die Marktkapitalisierung am Ende – nach zwei weiteren, fix geplanten, Kapitalerhöhungen – belaufen. Es wäre somit der bei Weitem größte Wert im heimischen ATX. Die Erstnotiz der Aktie wird zwar in Abu Dhabi bleiben, in Wien ist aber eine Zweitnotiz geplant. Und in der österreichischen Hauptstadt soll auch das Headquarter des neuen Konzerns beheimatet sein, sowie das wichtigste Forschungszentrum in Linz.
Gehören wird dieser Konzern, die Borouge Group International, schlussendlich jeweils zu knapp 44 Prozent der OMV und Adnoc, der Rest soll Streubesitz sein. Das ist notwendig, um in den prestigeträchtigen MSCI-50-Index aufgenommen zu werden. Und an diesen Anteilsverhältnissen könne auch nur mit Zustimmung der OMV etwas geändert werden, so Florey und Öbag-Chefin Edith Hlawati bezüglich eventueller Sorgen, dass die OMV vom wesentlich finanzstärkeren Partner Adnoc per Kapitalerhöhungen zum Juniorpartner gemacht werden könne. „Die OMV muss jeder Kapitalerhöhung zustimmen“, so Florey. Außerdem würde auch eine geringe Verwässerung der Anteile noch nichts an der Mitbestimmung ändern. „Erst wenn die Anteile auf unter 30 Prozent fallen, haben wir nicht mehr die gleichen Rechte.“
Die Verträge sind bereits fixiert, das Closing wird aufgrund der weltweiten Genehmigungsverfahren durch Wettbewerbsbehörden für Anfang des kommenden Jahres erwartet. Dann wird es auch ein neues Management für das Unternehmen geben. Wer das sein wird, ist noch unklar. Eine Rolle könnte in dieser Frage jedoch ein in Österreich nicht unbekannter Manager spielen. So ist Ex-OMV-Chef Rainer Seele inzwischen als Berater für Adnoc tätig und war auch beim Treffen des Adnoc-Chefs und emiratischen Industrieministers in Personalunion, Sultan bin Ahmed al-Jaber, mit Minister Hattmannsdorfer aufseiten des arabischen Konzerns dabei.
Aus Sicht des Wirtschaftsministers soll es aber nicht bei diesem „Meilenstein“ bleiben. Vielmehr soll dieser der Auftakt für eine noch wesentlich engere Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sein. Schließlich ist das Land, das sowohl von der Fläche als auch von der Einwohnerzahl mit Österreich vergleichbar ist, mit einem Wachstum von heuer deutlich über vier Prozent ein interessanter Handelspartner. Hattmannsdorfer setzt sich daher für ein europäisches Freihandelsabkommen mit den VAE ein. Aber auch für andere heimische Unternehmen wie dem Verbund könnten Kooperationen – etwa im Bereich Wasserstoff – interessant sein. Denn Energie sei eine Kernfrage für die heimische Wirtschaft. „Die Öbag soll dabei ein Schlüsselspieler für die Weiterentwicklung des Standorts sein“, so Hattmannsdorfer.
Standortpolitik ist aber auch für die VAE ein wichtiges Thema. Und die Frage, was nach dem Öl kommt. Das Emirat Dubai setzt dabei stark auf Tourismus. Abu Dhabi geht einen etwas anderen Weg und hat Digitalisierung und künstliche Intelligenz als Zukunftsfeld auserkoren. So wurde erst 2019 eine eigene Universität für künstliche Intelligenz gegründet, in der heute 200 Forscher aus 50 Nationen knapp 400 Studenten unterrichten. „Unser Ziel ist, das Stanford des Nahen Ostens zu werden“, sagt Vizepräsident Sami Haddadin, der bis Anfang des Jahres noch das Zentrum für Robotik und KI an der TU München geleitet hat. Im globalen Ranking der US-Elite-Uni werden die VAE bereits als fünftwichtigste Nation für künstliche Intelligenz geführt, nach den USA, China, dem Vereinigten Königreich und Indien.
Damit die dafür notwendigen Datenzentren nachhaltig mit Energie versorgt werden können, sollen die Solarkraftwerke massiv ausgebaut werden. Auch das ist eine Chance für österreichische Firmen, die in diesem Bereich tätig sind.
von Jakob Zirm
Die Presse