
Strompreiserhöhungen. Warum manche Konsumenten jetzt Geld von lang zurückliegenden Preisanpassungen zurückerhalten, und warum das immer wieder passiert. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.
Erst vor Kurzem hat der KURIER darüber berichtet, dass die EVN jenen Kunden Entschädigung zahlt, deren Strom- und Gaspreise während der Energiekrise 2022 angehoben wurden. Fälle wie diesen gibt es immer wieder.
Was waren die zuletzt größten Fälle von unzulässigen Preiserhöhungen?Seit 2022 sind eine ganze Reihe von Preiserhöhungen von Gerichten als unzulässig beurteilt worden, etwa von Verbund, Wien Energie, EVN oder Tiwag. Die Klagen haben Konsumentenschutzorganisationen eingebracht. In Folge kam es zu Einigungen mit diesen Organisationen und Rückzahlungen an Kunden. Zu Preiserhöhungen kam es aber auch nach 2022. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Preiserhöhung des Verbund vom März 2023 als unzulässig erklärt hat.
Wie konnte das rechtlich durchgehen? Verträge können einseitig nicht geändert werden. Strom- und Gaslieferungen können daher vom Energielieferanten nicht willkürlich teurer gemacht werden. In vielen Verträgen stehen allerdings Wertanpassungsklauseln, wie Stefan Schreiner vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) erklärt. Als die Energiepreise 2022 explodierten, entschieden sich einige Anbieter dazu, erhöhte Kosten an Kunden weiterzugeben.
In Informationsschreiben an die Kunden beriefen sie sich auf die Indexklauseln in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen. Was ihnen im Nachhinein zum Verhängnis wurde: Es wurde der Anschein erweckt, dass dadurch Preise steigen, aber auch fallen können. „Dabei war klar, dass sie nur steigen werden“, sagt Schreiner. Gerichte entschieden, dass hier Intransparenz geherrscht hat. Es gab auch andere Ansatzpunkte für juristische Anfechtungen, etwa Zwangsumstellungen auf einen neuen Tarif. Die Wertanpassungsklauseln seien aber die umstrittenste Materie.
Wieso gibt es Unklarheiten bei der Wertanpassung?Wegen der Energiekrise 2022 wurde eine Novellierung des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes (ElWOG) beschlossen, die es Energieversorgern erleichtern sollten, Preise anzupassen. Statt Klarheit zu schaffen, sei dadurch aber nur Unsicherheit bei Lieferanten und Kunden entstanden, sagt Schreiner. Einige Gerichtsverfahren wurden allerdings durch Transparenzmängel entschieden, während die eigentlich klärungsbedürftige Materie im ElWOG unangetastet blieb. Im jüngsten OGH-Urteil gegen den Verbund heißt es nun allerdings, dass trotz der ElWOG-Novelle keine einseitige Preisanpassung erfolgen darf. Für den Konsumentenschutz war diese Entscheidung wichtig, sagt Schreiner.
Wieso hat die E-Control diese Preiserhöhungen nicht unterbunden?„Wir haben keinen vollständigen Überblick über die Judikatur“, sagt Alexandra Schwaiger-Faber, Leiterin der Abteilung Recht der E-Control. Die Regulierungsbehörde für Strom und Gas führe zwar Kontrollen über die Gestaltung der Geschäftsbedingungen von Energielieferanten durch, kann sich dabei aber nur an existierende Rechtsprechung halten.
„Die Judikatur im Konsumentenschutzrecht hat sich so stark entwickelt, dass wir Dinge als unproblematisch gesehen haben, die der OGH anders sah“, so Schwaiger-Faber. Wenn Konsumentenschützer gegen Energieunternehmen vorgehen, muss die E-Control nicht informiert werden. Die Behörde erfahre nur durch Kontakte mit involvierten Anwälten davon.
Da sich in den vergangenen Jahren einige Preiserhöhungen als unzulässig herausstellten, sei „die Büchse der Pandora geöffnet“. Jetzt werde einiges angefochten.
Wie sieht die aktuelle Situation aus?„Die Möglichkeit zur Preisänderung für Lieferanten ist sehr eng geworden“, sagt die E-Control-Expertin. Die volatilen Preise der letzten Jahre hätten dafür gesorgt, dass dem Thema Energiepreise viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. „Da gibt es immer Phasen“, sagt Schwaiger-Faber. „2019 und 2020 gab es eine Welle mit einigen Preiserhöhungen, 2022, dann 2023 noch einmal.“
Bei Strom- und Gaspreisen sei die aktuelle Lage ruhig. „Aber es gibt noch Themen, die am Tisch liegen. In Zukunft interessant wird etwa das Thema Fernwärme.“ Der Bereich sei grundsätzlich sehr wenig geregelt. Wie Preise zustande kommen, sei oft undurchsichtig. Preiserhöhungen seien teilweise ebenfalls massiv ausgefallen. Konsumentenschützer beschäftigen sich intensiv damit.
Fakten
Auf Seite der Kunden
Wer sich vom Energielieferanten ungerecht behandelt fühlt, kann sich an Organisationen wie den Verein für Konsumenteninformation (VKI), den Verbraucherschutzverein (VSV) oder die Arbeiterkammer wenden.
Wie viel Geld
Kunden bei einer Rückerstattung wegen unzulässiger Preiserhöhung erhalten, hängt von ihrem jeweiligen Tarif und Verbrauch ab.
275Euro erhielten Kunden von Wien Energie im Schnitt wegen einer Preiserhöhung 2022. Tiwag-Kunden erhielten 285 Euro, Verbund-Kunden 90 Euro. EVN-Kunden erhielten für Strom im Schnitt 50 Euro, für Gas 335 Euro
Kurier