
Im Schweizer Kanton Aargau soll möglichst schnell ein neues Atomkraftwerk gebaut werden. Mit 72 zu 63 Stimmen hat das regionale Parlament (Großer Rat) am Dienstag eine von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) eingebrachte Initiative gutgeheißen. Die Weichen für den Neubau muss freilich der Bund stellen. Die zwischen Bern und Zürich gelegene Region beherbergt schon jetzt drei der fünf Schweizer Atomreaktoren.
Die SVP begründete ihren Vorstoß damit, dass die Schweizer Regierung eine Aufhebung des geltenden AKW-Neubauverbots überlege. Im Kanton stünden bereits drei Anlagen und die Bevölkerung vertraue der Technologie. Auch seien genügend Fachkräfte ansässig. Die Regionalregierung zeigte sich zurückhaltend und verwies auf die unveränderten Rahmenbedingungen auf Bundesebene. Deswegen sei der Vorstoß verfrüht. Eine Mehrheit des Kantonsparlaments sprach sich dennoch für den SVP-Vorschlag aus.
Gegner sehen Sabotage von Energiewende
Die Kantonsregierung solle Bundespolitik nicht nur beobachten, sondern das in seiner Macht stehende tun, um sich für „die Erneuerung der Aargauer Anlagen einzusetzen“, brachte die SVP in der etwa einstündigen Parlamentsdebatte vor. Es gelte die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten. Bis 2050 werde doch niemand ein neues Atomkraftwerk bauen, hielten demgegenüber unter anderem die Grünliberalen fest. Die SVP wolle die Energiewende sabotieren. Sie gaukle eine Lösung vor, die es gar nicht gebe.
Das Neubauverbot war im Jahr 2017 von den Schweizer Stimmbürgern in einer Volksabstimmung mit 58 Prozent der Stimmen beschlossen worden. Umwelt- und Energieminister Albert Rösti (SVP) will dieses Verbot aus dem Energiegesetz streichen, trifft dabei aber sogar in der Energiebranche auf Skepsis. So betonte der größte Energiekonzern Axpo im Dezember, dass die finanziellen, regulatorischen und politischen Risiken für einen AKW-Bau derzeit zu hoch seien. Auch von anderen Konzernen hieß es, dass man sich auf eine Laufzeitverlängerung bestehender AKW sowie den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern konzentrieren wolle.
Axpo-Chef Christoph Brand betonte in einem Interview, dass ein AKW-Neubau betriebswirtschaftlich nur für den Staat machbar sei. Der Energiewirtschaftsverband VSE betonte, dass eine definitive Entscheidung einschließlich der erforderlichen Volksabsitmmung frühestens in ein paar Jahren vorliegen werde. Um die Versorgung für die kommenden 10 bis 15 Jahre zu gewährleisten, sei der Ausbau von Wasser-, Solar- und Windkraft daher „alternativlos“, hieß es von der Branchenvertretung.
APA/sda