
Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) hat in Brüssel die seit Mai bekannte Position Österreichs deponiert, dass nach dem Ende des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine alle Optionen für die Energieversorgung Europas offen gehalten werden sollen. Zugleich sei das aktuell geplante Importverbot für Gas aus Russland richtig und werde von Österreich auch unterstützt und umgesetzt, heißt es in einer Stellungnahme des Staatssekretariats für Energie im Wirtschaftsministerium.
„Im Ringen um Frieden ist das angedachte Verbot zum Import von russischem Gas nach Europa ein unmissverständliches und richtiges Zeichen gegen Putins Angriffskrieg und für eine geschlossene europäische Außen- und Energiepolitik“, heißt es in der Stellungnahme. Aber „langfristig sollte sich die EU jedoch Optionen offenhalten, um die Lage nach dem Ende des Krieges neu zu bewerten, um die Energieversorgung auch künftig sicher und kosteneffizient gestalten zu können“. Europa müsse die Bezugsquellen konsequent diversifizieren und dürfe sich nicht von wenigen Ländern abhängig machen. Dabei seien auch die Entwicklungen im Nahen Osten genau zu beobachten.
Der Großteil der EU-Länder plädiert derzeit dafür, sich dauerhaft von russischen Gasimporten unabhängig zu machen. Nur Ungarn und die Slowakei sprachen sich bisher für die Wiederaufnahme russischer Gasimporte nach Beendigung des Krieges aus.
Vorschläge der EU-Kommission am Nachmittag
Am heutigen Dienstagnachmittag will die EU-Kommission ihre Vorschläge für einen Ausstieg aus russischem Gas vorlegen. Österreich hat in diesem Zusammenhang noch viele offene Fragen, heißt es in der Aussendung. Dazu gehöre, ob die notwendige Infrastruktur bis Ende 2027 tatsächlich einsatzbereit ist, welche Auswirkungen ein Importverbot auf Strom- und Gaspreise hätte, wie sichergestellt werde, dass die Herkunft des Gases lückenlos nachvollziehbar ist oder eben auch, welche Optionen der EU nach einem möglichen Ende des Kriegs bleiben. Eine endgültige Bewertung der REPowerEU Roadmap, die heute vorgestellt werden soll, könne daher erst nach Vorliegen des Gesetzesvorschlages der EU-Kommission erfolgen.
Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) will sich für die Zeit nach dem Krieg alle Optionen offen halten. „Es haben bereits mehrere Länder Bedenken angekündigt aus unterschiedlichen Gründen. Spanien, Belgien, Frankreich, Ungarn, Slowakei und eben auch Österreich, weil ich der felsenfesten Überzeugung bin, wir müssen Abhängigkeiten vermeiden und wir müssen uns deswegen auch alle Optionen offenhalten, wenn der Krieg vorbei ist beziehungsweise wenn es zu einem Machtwechsel auch in Russland kommt“, sagte Hattmannsdorfer in einer Pressekonferenz am Dienstag. Er stehe aber bedingungslos an der Seite der Ukraine, es könne Frieden nur „unter Einbindung der Ukraine und im Einvernehmen mit der Ukraine“ geben. Gleichzeitig müssten auch stabile Energiepreise immer im Fokus Österreichs stehen. Ähnlich hatte sich Hattmannsdorfer bereits im Mai geäußert.
NEOS froh über Unabhängigkeit, Kritik der Grünen
Die NEOS reagierten kühl auf den ÖVP-Ansatz, nach Kriegsende alle Optionen für die Energieversorgung auch mit russischem Gas offen zu halten. „NEOS bekennen sich zum Ausstieg aus russischem Gas bis 2027“, schreibt Energiesprecherin Karin Doppelbauer. „Im Sinne der Rohstoffsicherheit ist es zu begrüßen, dass sich Österreich von Russland unabhängig machen konnte“. Ziel der Bundesregierung sei es, die Elektrifizierung auszubauen. „Sowohl sicherheits- als auch umweltpolitisch stellt ein Rückfall in alte Abhängigkeiten keine Zukunftsstrategie dar“, so Doppelbauer.
Harsche Kritik kam hingegen von den Grünen. Dass von Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer „positive Signale für neuerliche Gasimporte in der Zukunft“ kommen, sei „eine sicherheits- und energiepolitische Geisterfahrt, die Österreich auf EU-Ebene blamiert“, schreibt die designierte Grünen-Obfrau Leonore Gewessler. Damit „fällt Hattmannsdorfer der europäischen Geschlossenheit in den Rücken“ und „reiht sich mit Viktor Orbán und der slowakischen Regierung in einer Linie ein“, meint Gewessler.
FPÖ-Europaabgeordnete dafür, andere Abgeordnete dagegen
Von den österreichischen Europaparlamentariern hielt am Dienstagvormittag nur Petra Steger (FPÖ) den Zehetner-Vorstoß für eine gute Idee. Vielleicht könne das Russland als Anreiz dienen, „früher einen Frieden zu schließen. Sollte dann ein Frieden bestehen, ist selbstverständlich die Debatte wieder offen“, sagte die EU-Abgeordnete in einem Gespräch mit österreichischen Medien.
Anna Stürgkh (NEOS) verwies dagegen darauf, dass Russland seine Gaslieferungen regelmäßig als strategisches Mittel genutzt habe. „Wir können uns dem nicht weiter ausliefern.“ Österreich solle sich solcher Äußerungen enthalten, während man sich gleichzeitig etwa in den Baltischen Staaten oder in Polen zunehmend auf einen Krieg vorbereite, „weil sie Angst haben, angegriffen zu werden“. Auch Andreas Schieder, Fraktionsführer der österreichischen SP-Abgeordneten im Europaparlament hielt es für „nicht sinnvoll, zu sagen, man wolle das Rad wieder zurückzudrehen. Die Devise muss sein: Mit voller Kraft raus aus russischem Gas.“
Während man sich in der ÖVP-Fraktion noch informieren wollte, hielt Lena Schilling (Grüne) fest, „es wäre ein politischer Skandal, wenn eine Vertreterin der Bundesregierung ernsthaft fordert, man solle nach dem Krieg wieder russisches Gas einkaufen“. Das käme einer Verharmlosung von „Putins Gewaltpolitik“ gleich: „Diese Haltung ist energiepolitisch kurzsichtig, moralisch verantwortungslos und sicherheitspolitisch gefährlich.“
APA