Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat auf Antrag des ukrainischen Konzerns Naftogaz in einem nicht rechtskräftigen Beschluss vom 9. Juli nicht nur die Versteigerung zahlreicher Immobilien der Russischen Föderation in Österreich bewilligt, sondern auch die Exekution beweglicher Sachen sowie die Einziehung von Bankguthaben des russischen Staates. Dies resultiert aus dem der APA vorliegenden Beschluss, der der Russischen Föderation bisher nicht offiziell zugestellt wurde.
Die aktuelle Gerichtsentscheidung listet nicht nur insgesamt 18 Immobilien in Wien, Kaltenleutgeben und Purkersdorf in Niederösterreich sowie in der Stadt Salzburg auf, die Naftogaz bei Rechtskraft zur Zwangsversteigerung bringen würde. Die Rede ist auch von „Fahrnisexekution“, der „Pfändung und dem Verkauf der beweglichen körperlichen Sachen aller Art“, die sich im Gewahrsam des russischen Staates an insbesondere 18 Adressen befinden. Bewilligt wurde aber auch der Zugriff auf etwaige Bankguthaben der Russischen Föderation, die sich auf Konten von zwölf im Beschluss genannten Banken in Österreich befinden könnten. Insgesamt haben Naftogaz und fünf weitere mit diesem ukrainischen Energiekonzern verbundene Unternehmen Forderungen von in Summe 120 Mio. Euro angemeldet.
Bezirksgericht erachtet Exekution von russischem Staatsvermögen für zulässig
Grundlage der angestrebten Exekution ist der Schiedsspruch des Ständigen Schiedshofs in Den Haag aus dem Jahr 2023, in dem den ukrainischen Gesellschaften mehr als fünf Milliarden Dollar (4,33 Mrd. Euro) Schadenersatz für Verluste im Zusammenhang mit der Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 zugesprochen wurden und den das Wiener Bezirksgericht in seinem Beschluss nun auch in Österreich für vollstreckbar erklärt hat. Die Anerkennung dieses Schiedsspruchs falle unter die Bestimmungen des New Yorker Übereinkommens, bei dem die Republik Österreich ein Vertragsstaat sei, heißt es im Beschluss. „Der Vollstreckbarerklärung und der Exekutionsbewilligung steht (…) der Umstand, dass es sich bei der verpflichteten Partei um einen souveränen Staat handelt, nicht entgegen“, erklärte der Richter. Eine generelle Vollstreckungsimmunität liege nicht vor und eine allfällige Immunität hinsichtlich der in Exekution gezogenen Sachen beziehungsweise Bankkonten wäre nicht im Bewilligungsverfahren, sondern erst bei entsprechenden Anträgen oder Hinweisen im Vollzugsverfahren zu berücksichtigen.
Ob die Russische Föderation gegen die österreichische Gerichtsentscheidung Rechtsmittel einlegen wird, ist unbekannt. Die russische Botschaft ließ am Donnerstag eine diesbezügliche Anfrage der APA unbeantwortet. Seinerzeit hatte der russische Staat das Schiedsverfahren in Den Haag boykottiert, da es den dortigen Schiedsgerichtshof für die Naftogaz-Klage als nicht zuständig erachtet hatte.
Nach Zustellung von Beschluss in Moskau acht Wochen für Rechtsmittel
Der Beschluss selbst ist der russischen Seite freilich noch nicht zugestellt worden. Er werde gerade übersetzt und erst dann gehe der Postweg los, erklärte eine Sprecherin des österreichischen Justizministeriums am Donnerstag gegenüber der APA. Gemäß einem gültigen Abkommen müsse eine korrekte Zustellung vom österreichischen Gericht im Wege des Justizministeriums und des Außenministeriums an die österreichische Botschaft in Moskau und durch diese an das russische Außenministerium zur Weiterleitung an das zuständige Fachressort erfolgen, erläuterte ihrerseits eine Sprecherin des Außenministeriums. Nach dieser Zustellung hätte die Russische Föderation schließlich acht Wochen Zeit, um die Vollstreckbarerklärung des Bezirksgerichts durch Rekurs anzufechten.
APA