Transformationsstaat – Forscher für Umdenken in Klimapolitik

7. August 2025, Wien
Autoren plädieren für echten Technologiewechsel im Energiesektor
 - Graz, APA/VERSUCHSSTATION HAIDEGG

Ein grundlegendes Umdenken staatlicher Institutionen in Sachen Klimapolitik und -schutz stellt ein Team um Wiener Politikwissenschafterinnen und -wissenschafter in einem Perspektivenartikel im Fachjournal „Nature Climate Change“ in den Raum. Im Konzept des „Transformationsstaates“ steht eine Abkehr von der auf stetiges Wirtschaftswachstum abzielenden Grundausrichtung im Mittelpunkt. An dessen Stelle sollen Energieverbrauch-Reduktion und soziale Gerechtigkeit treten.

In vielen westlich orientierten Ländern – allen voran die USA unter der Präsidentschaft von Donald Trump – tritt die Wertigkeit des Klimaschutzes und der Treibhausgasreduktion – vulgo Dekarbonisierung – seit einigen Jahren wieder stärker in den Hintergrund oder wird ganz klar unterminiert. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung hatten es Klima-Themen schon einmal einfacher, prominent aufgegriffen zu werden.

Aktuell schwerer politischer Stand für Klima-Themen

Mit Anti-Klimapolitik lassen sich bekanntlich auch in Österreich zuletzt wieder erfolgreicher Wahlen schlagen als noch vor einigen Jahren. Abseits der stark von bewaffneten Auseinandersetzungen, der Teuerung oder der Covid-19-Pandemie geprägten politischen Großwetterlagen in unmittelbarer Vergangenheit als auf der Hand liegende Erklärungen, gebe es recht wenig sozialwissenschaftliche Untersuchungen, die im Detail analysieren, warum die OECD-Staaten klimapolitisch stark hinter ihren eigenen Plänen und Zielen hinterherhinken.

Für das Team um Ulrich Brand vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, dem auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter vom Institut für Internationale Entwicklung der Uni Wien, der Universität für Bodenkultur (Boku) oder der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und deutsche Kolleginnen und Kollegen angehörten, liegt das u. a. an der grundlegenden Orientierung des politischen Systems an Steuereinnahmen, die wiederum traditionell stark in Wirtschaftsbereichen lukriert werden, die auf Basis von fossilen Energieträgern wirtschaften. Dazu kommt, dass die OECD-Staaten mit ihrer liberal-kapitalistischen Grundausrichtung davon abhängen, dass die Wirtschaft an sich wächst und expandiert – eine Ansicht, die in Zeiten von Klimawandel, Rohstoff-Raubbau, Biodiversitätskrise und dem zunehmenden Schrumpfen von Gebieten, in denen der menschliche Einfluss noch gering ist, vielfach kritisiert wird.

Sichtbarkeit macht Staat angreifbarer

„Der große klimapolitische Rückschritt, den wir gerade live miterleben, hängt auch mit einem grundlegenden Problem zusammen: Dekarbonisierung erfordert staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Alltag, der Staat wird sichtbarer. Das wird oftmals als Einschränkung wahrgenommen, und schwächt die Unterstützung für das Projekt der Dekarbonisierung“ und lasse in der Folge die „klimaskeptische Rechte“ erstarken“, wird Studien-Co-Autor Daniel Hausknost von der WU in einer Aussendung zitiert.

Die neue Analyse zeige nun, dass nicht nur mangelnder politischer Gestaltungswille, Festhalten an althergebrachten Machtlogiken oder Lobbying vonseiten fossil-getriebener Wirtschaftszweige ein Vorankommen beim Klimaschutz verhindern, sondern „die Reduktion von fossilen Energieträgern und CO2-Emissionen auch an strukturelle Grenzen des Staates stößt“, so Boku-Forscherin Melanie Pichler. Dementsprechend brauche es einen „Transformationsstaat“, der nicht davor zurückschreckt, einen „sukzessiven Rückbau“ von treibhausgasemissionsintensiven Branchen anzustoßen. „Der Sozialstaat müsste klimafreundlich erneuert und demokratische Teilhabe gestärkt werden“, wird die Politikwissenschafterin Alina Brad zitiert. Es brauche auch ein grundlegendes Verständnis dafür, dass es um einen echten Technologiewechsel zu erneuerbaren Energieträgern und nicht etwa um eine simple Verbesserung fossiler Technologien geht, schreiben die Autoren um Ulrich Brand in ihrer Arbeit.

Letzterer hat im vergangenen Jahr bereits ein Buch mit dem Titel „Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven“ auf den Markt gebracht. Rund um die Veröffentlichung sah er im APA-Gespräch den „fossilen Konsens“ immer noch als sehr vital an. Aber: „So lange wir am Wachstum festhalten, werden wir das Problem nicht lösen. Die Wachstumsorientierung ist der Systemfehler“, sagte der Politologe.

(S E R V I C E – Die Publikation online: https://doi.org/10.1038/s41558-025-02394-y ; Ulrich Brand, Markus Wissen: „Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven“, oekom verlag, 304 Seiten, Broschur, 24 Euro, ISBN 978-3-98726-065-0)

APA