
Ab 2027 soll das rumänische OMV-Projekt „Neptun Deep“ große Mengen an Gas für Europa liefern. Doch Rumänien geht es nicht schnell genug. Im Raum stehen Millionenstrafen und Lizenzverlust.
Zukunftsprojekte, wohin das Auge reicht: Während die OMV im heimischen Bruck an der Leitha den Grundstein für das größte grüne Wasserstoffwerk Österreichs legt, arbeitet der Konzern im rumänischen Schwarzen Meer daran, den größten Gasfund in seiner Geschichte zu Geld zu machen.
Rund 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas soll das Milliardenprojekt „Neptun Deep“ ab dem Jahr 2027 liefern und Rumänien so zum Gasexporteur machen. Dieser Fund mache Europas beschleunigten Ausstieg aus russischem Gas ohne Verwerfungen bei den Preisen möglich, erklärte die EU-Kommission. Aber das sehen nicht alle so optimistisch. Die EU habe in ihren Augen „nur sehr oberflächlich geprüft“, kritisiert E-Control-Expertin Carola Millgramm. „Sollte es zu Verzögerungen kommen, könnte das größere Auswirkungen auf die Gaspreise haben.“ Und genau das steht Insidern zufolge nun im Raum.
Ultimatum bis Ende November
Was ist passiert? Im Juni 2023 gaben die OMV-Tochter Petrom und der rumänische Staatskonzern Romgaz bekannt, gemeinsam vier Milliarden Euro in die Erschließung von „Neptun Deep“ zu investieren. Und während der (Noch-)OMV-Chef Alfred Stern in Rumänien zuletzt einige mediale Tiefschläge einstecken musste, schien zumindest bei diesem Projekt alles auf Schiene. OMV Petrom und Romgaz haben im März 2025 mit Produktionsbohrungen bei den Feldern Domino und Pelikan Süd gestartet. Läuft weiter alles glatt, soll hier erstes Gas ab 2027 fließen.
Problematischer ist die Lage ein paar Dutzend Kilometer weiter südlich. Dort haben sich die Partner Ende 2023 nämlich eine Explorationslizenz für die beiden Gasfelder Nard und Anaconda vom rumänischen Staat gesichert, bisher aber deutlich weniger weit vorangetrieben. Und das könnte für die OMV-Tochter Petrom nun unangenehme Folgen haben.
1500 Meter unter dem Meer. Wie „Die Presse“ nun erfahren hat, haben sich Petrom und Romgaz im Lizenzvertrag verpflichtet, noch bis November 2025 eine erste Tiefenbohrung zu unternehmen. Verpassen die Unternehmen diese Deadline, würde die vereinbarte Mindestinvestitionssumme von zwanzig Millionen Euro als Pönale fällig. Im Extremfall könnten die Österreicher sogar einen Teil des „Neptun Deep“-Projekts verlieren, so die Sorge.
Diese Vorgangsweise sei bei derartigen Projekten grundsätzlich nicht unüblich, sagt ein auf Energiewirtschaft spezialisierter Jurist der „Presse“. Da der Staat an seinen Lizenzen nur dann verdiene, wenn auch in absehbarer Zeit Erdgas oder Erdöl gefördert wird, seien solche Lizenzen zumeist mit einer Frist und Mindestinvestitionssummen versehen. Die Bohrkosten für Nard und Anaconda werden auf 61 beziehungsweise 62 Millionen Euro geschätzt. Das liegt auch daran, dass die Bohrungen hier in weitaus größerer Tiefe erfolgen müssen als bei den Gasfeldern, die Petrom bereits in Angriff genommen hat. Im Bereich des Bohrlochs Nard beträgt die Wassertiefe etwa 973Meter, im Bereich von Anaconda über 1500 Meter. Zum Vergleich: Die Produktionsbohrung bei Pelikan Süd wird in einer Wassertiefe von etwa 120Metern durchgeführt.
Dennoch haben Petrom und Romgaz bereits im Frühjahr die Genehmigungsanträge für die Bohrungen bei Nard und Anaconda eingereicht, schreibt das rumänische Medium profit.ro. Die Unternehmen hätten bei den Behörden auch um eine Verlängerung der Frist um zwei Jahre angesucht. Doch das Land ist aufgrund des Regimewechsels (Rumänien hat seit dem Sommer eine neue Regierung) offenbar mit anderen Dingen beschäftigt. Dazu kommt, dass die Österreicher derzeit keinen allzu guten Stand in Bukarest haben. So hat der ehemalige rumänische Energieminister Răzvan Nicolescu in seiner Funktion als Mitglied des Petrom-Aufsichtsrats erst kürzlich den Rücktritt von OMV-Chef Alfred Stern aus dem Kontrollgremium gefordert. 51 Prozent an Petrom hält die OMV, 21 Prozent der rumänische Staat.
Querelen und Boykottaufrufe
Bei der OMV will man auf Anfrage der „Presse“ nur wenig zur Causa sagen. „Das Projekt verläuft planmäßig und wird ab dem geplanten Produktionsstart im Jahr 2027 eine zentrale Rolle in der europäischen Gasversorgung einnehmen“, ließ das Unternehmen wissen. Für weitere Details verwies die OMV auf die rumänische Tochter Petrom. OMV Petrom bestätigte auf Anfrage der „Presse“, dass man um die notwendigen Genehmigungen für die Wiederaufnahme der Explorationsbohrungen im Tiefwasserbereich des Blocks angesucht und „Gespräche mit den zuständigen Behörden bezüglich der Verlängerung der Lizenzen aufgenommen“ habe. Eine Entscheidung sei bis dato aber nicht gefallen.
Ganz neu ist die Situation für die OMV freilich nicht. Zwar war OMV Petrom in den vergangenen zwanzig Jahren der größte Steuerzahler für den rumänischen Staatshaushalt, wie das Unternehmen anmerkt. Dennoch sind die Österreicher seit der Übernahme der Petrom im Jahr 2004 und dem darauf folgenden Sparkurs beim Staatskoloss immer wieder im Visier der rumänischen Politik und Öffentlichkeit. Als Österreich vor wenigen Jahren gegen Rumäniens Schengenbeitritt mobil machte, hagelte es etwa Boykottaufrufe gegen die OMV-Tochter Petrom. Auch rund um das Projekt „Neptun Deep“ gab es seit dem Fund im Jahr 2012 immer wieder Querelen darüber, zu welchen Konditionen das Gas aus der Erde geholt werden darf – und wie schnell das alles vor sich zu gehen hat. Vor wenigen Jahren stand schon einmal der Verlust der Lizenzen für zwei Gasfelder im Raum.
Es sollte anders kommen. Just die beiden betroffenen Felder Pelikan und Domino werden nun als erste Erdgas aus dem Schwarzen Meer liefern.
Von Matthias Auer und Hanna Kordik
Die Presse