Wird Strom billiger, Herr Strugl?

7. Oktober 2025, Wien

Der Verbund-Chef will, dass dafür auch Geld vom „Regulierungskonto“ verwendet wird.

WIEN. Der Chef des Energieversorgers Verbund, Michael Strugl, hat konkrete Ideen, wie Österreich das Thema Stromkostensenkung angehen sollte. Im OÖN-Gespräch unterstreicht er, wie wichtig der Ausbau erneuerbarer Energie ist, aber mit einem umfassenden Plan, der Erzeuger, Netze und Speicher miteinbezieht.

OÖN: US-Präsident Donald Trump hat kürzlich in der UN-Versammlung gesagt, dass erneuerbare Energie aus Wind und Sonne teurer ist als fossile aus Öl und Gas. Rechnet sich Klimaschutz also nicht?
M. Strugl: Ich habe den Eindruck, diese Aussage hat eine stark ideologische Komponente. Aber Ideologie ist kein guter Ratgeber in der Energiepolitik. Faktum ist, dass die globale Erwärmung viel schneller voranschreitet als ursprünglich angenommen und die vom Klimawandel verursachten Schäden Milliarden kosten, das kann man nicht wegdiskutieren. Die USA haben den strukturellen Vorteil von billigem Gas, das kann Europa nicht ohne weiteres ausgleichen. Auch die Bezahlbarkeit der Energie ist wichtig, man muss mit einer gewissen Pragmatik darauf schauen. Für Europa ist erneuerbare Energie nach Gestehungskosten jedenfalls günstiger als importiertes Gas und Erdöl.

Europa bezahlte 2024 knapp 400 Milliarden Euro für fossile Energieimporte. Ist das also schlecht investiertes Geld?
Der weitere Ausbau erneuerbarer Energie ist für Europa die beste Möglichkeit, weniger von Energieimporten abhängig zu werden. Es ist eine Rendite, die kommen wird, in Form einer besseren Resilienz. Österreich gibt im Jahr rund zehn Milliarden Euro für fossile Energieimporte aus. Was Europa machen kann, ist mehr eigene erneuerbare Energiequellen nutzen und weniger importieren, allerdings muss man die Systemkosten im Auge haben.

Was könnte man tun, um die Systemkosten zu senken?
Alles, was politisch gemacht wurde, um Energie zu verteuern, muss man hinterfragen. Das sind CO2-Kosten, Verbote oder Quoten, mit Jahresbeginn sind darüber hinaus die steuerlichen Entlastungen weggefallen und die Netztarife gestiegen. Bei einem Haushalt entfallen 30 Prozent der Stromrechnung auf die Netzkosten, weitere rund 30 Prozent auf Steuern und Abgaben. Wenn wir die Energiesteuern senken wie in Deutschland, spüren das die Verbraucher sofort. Natürlich bedeutet das weniger Einnahmen für den Finanzminister, der bekommt aber von den Energieunternehmen Dividenden und auch die Einnahmen aus der Gewinnabschöpfung. Das soll den Stromkunden zugutekommen. Langfristig kann vor allem eine Erhöhung des Angebots preisdämpfend wirken, auch deshalb ist der Ausbau der Erzeugung wichtig.

Die kontrovers diskutierte Zusammenlegung von Stromnetzen könnte große Einsparungen bringen, sagen Experten. Wie sehen Sie das?
Das hätte keinen wesentlichen Effekt auf die Netztarife, denn der wesentliche Treiber der Netzgebühren sind die Investitionen der Netzbetreiber. Diese werden sozialisiert, also auf die Stromkunden verteilt. Ein kosteneffizienter Ausbau der Stromnetze ist sicherlich der wichtigste Hebel für eine Dämpfung des Anstiegs der Netztarife. Wenn wir das Netz für drei Spitzentage im Jahr auslegen, ist das ineffizient und volkswirtschaftlicher Unsinn. Erzeugung, Speicher und Netze müssen zusammen gedacht werden – das ist der größte Hebel auf Kostenseite. Möglicherweise wird es aber eine gewisse Konsolidierung bei kleinen Netzbetreibern geben, weil diese massiv in moderne Netze investieren müssten.
Etliche neue Energiegesetze sind in Begutachtung.

Sind die Weichen für die Energiewende richtig gestellt?
Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) hat richtige Ansätze, etwa die Spitzenkappung, Leistungskomponenten in den Tarifen und Anreize für netzdienliches Verhalten wie dynamische Tarife. Aber um die Netzkosten zu dämpfen, gäbe es jetzt schon Hebel. Neben effizienter Planung müssen wir die Kosten des Netzausbaus in den nächsten 15 Jahren von rund 50 Milliarden Euro durch stärkere Elektrifizierung auf mehr und nicht weniger Nutzen verteilen. Dann zahlen mehr Kunden entsprechend weniger. Die vorgeschlagene Verlängerung der Abschreibedauer hat nur am kurzen Ende dämpfende Effekte auf die Netztarife, langfristig wird es teurer. Privilegien für einzelne Netznutzer wie Energiegemeinschaften oder eigene Verteilnetze – wie im ElWG vorgesehen – sind kontraproduktiv, weil diejenigen, die übrig bleiben, mehr zahlen werden. Diese Ausnahmen müssen gestrichen werden.

Was könnte die Netzkosten noch senken?
Der schnellere Abbau des sogenannten Regulierungskontos wäre eine Möglichkeit, die Netztarife zu entlasten, es ist ja Geld der Netzkunden, das dort geparkt ist. Das ist eine Art Ausgleichsgefäß, Geld der Netzkunden. Staatlich gefördertes Mezzaninkapital kann helfen, ist aber beihilfenrechtlich zu prüfen. Es soll vor allem den Netzgesellschaften auf der Eigenkapitalseite helfen.

Sind Stromspeicher ein kostensenkender Faktor?
Ja, wenn sie netzdienlich eingesetzt werden, etwa erzeugungsnahe Speicher bei Wind- oder Solarparks oder als Heimspeicher bei der privaten PV-Anlage. Dann muss nicht der gesamte Überschussstrom über die Netze abtransportiert werden, der Strom bleibt auf der untersten Netzebene und entlastet die Netze. Auch die Pumpspeicher wirken systemdienlich, sie nehmen Überschussstrom aus dem Netz und speichern aus, wenn zu wenig Strom im Netz ist. Dass man besser Heim-Speicher statt Solarpaneele fördert, hat diese Regierung richtig erkannt.

Verschläft Österreich anders als Deutschland die Entwicklung bei Batteriegroßspeichern? Eben wurde in Bayern ein riesiges Batteriespeicherprojekt von 1 Gigawatt Leistung vorgestellt.
Deutschland ist hier schon weiter, auch regulatorisch. Bei uns muss das erst geregelt werden. Da geht es auch um Netztarife. Das ElWG und Verordnungen des Regulators werden dafür die Grundlage sein.

Wie sollen Kunden durch Digitalisierung und Transparenz auf den Stromrechnungen ihren Stromverbrauch optimieren?
Grundsätzlich: Eine Stromrechnung kann ganz einfach sein, sie könnte auf einer Seite Platz haben. Wir müssen aber zahlreiche Detailinformationen auf die Rechnung schreiben, dazu verpflichten uns eine Vielzahl von Rechtsvorschriften. Ich würde es begrüßen, wenn man das einfacher machen würde. Monatsrechnungen wie im ElWG vorgesehen sind gut, aber der Kunde soll sich aussuchen können, auch, ob er monatlich einen Fixbetrag zahlt oder gemäß tatsächlichem Verbrauch. Dynamische Tarife bieten wir bereits an – was durchaus herausfordernd ist, aber für Kunden mit Smart Meter und flexiblem Verbrauch durchaus interessant ist.

Oberösterreichische Nachrichten