Beim Strompreis steht ein „Österreich-Aufschlag“ bevor

9. Oktober 2025, Wien

Die heimischen Stromkunden kommen nicht zur Ruhe. Ein neuer Gesetzesentwurf sollte die Preise im Land nach unten bringen und den Ausbau heimischer Erzeugung beschleunigen. Glaubt man den Energieproduzenten, passiert jedoch genau das Gegenteil.

Wien. Wenn in Österreich ein Windkraftwerk gebaut werden soll, dann ist der Unmut mancher Anrainer oft vorprogrammiert. Die gute Nachricht: Von diesen Konflikten könnte es in Österreich künftig deutlich weniger geben. Die schlechte: Das passiert nicht, weil plötzlich alle ihre Liebe zu lokal erzeugtem, sauberen Strom entdeckt haben oder der Staat dafür gesorgt hat, dass Genehmigungsverfahren in Windeseile durchgezogen werden, sondern weil sich Windkraft-Projekte in Österreich bald schon nicht mehr rechnen könnten.

Das ist zumindest die Befürchtung der großen Windkraftproduzenten im Land. „Etwa die Hälfte aller Projekte in Österreich wackelt“, sagt Herbert Stava, Präsident des Energieparks Bruck/Leitha zur „Presse“. Mitarbeiter zittern um ihre Jobs, finanzierende Banken steigen aufgrund der politischen Querschüsse gegen die Branche reihenweise aus. Der geplante Ausbauboom ist beendet, bevor er so richtig begonnen hat. „Gleichzeitig wird Strom dadurch in Österreich immer teurer“, sagt Stephan Sharma, Vorstandsvorsitzender der Burgenland Energie, am Rande einer außerordentlichen Vorstandssitzung der Branchenlobby IG Windkraft zur „Presse“.

Grund für das Krisentreffen ist ein überarbeiteter Entwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG), der seit einigen Tagen die Runde macht. Demnach sollen künftig nicht nur die Stromkunden, sondern auch alle Stromerzeuger stärker an der Finanzierung der Stromnetze beteiligt werden. Das trifft alle, von den großen Wasserkraftwerksbetreibern bis zu privaten Besitzern von Photovoltaikanlagen. Lediglich Kleinstanlagen mit einer maximalen Einspeiseleistung von bis zu 3,68 Kilowatt sollen ausgenommen werden. Die meisten größeren PV-Anlagen auf Hausdächern übersteigen diese Grenze.

Importstrom bevorzugt

Der überarbeitete Gesetzesentwurf sieht nun eine Verdreifachung der bisherigen Netzanschlusskosten für Wind- und Solarkraftbetreiber vor, zudem werden erstmals auch Gebühren für die laufende Nutzung des Netzes eingeführt. Die Höhe bestimmt nicht der Gesetzgeber, sondern der Regulator. „Es gibt künftig einen Österreich-Aufschlag für Windstrom, der im eigenen Land erzeugt wurde“, beklagt Stephan Sharma. Die zusätzlichen Netzgebühren und der Plan, bei Überproduktion nicht die gesamte Ökostrommenge liefern zu dürfen, würden den Strompreis um zehn Prozent oder zwölf Cent pro Kilowattstunde in die Höhe treiben. Das System benachteilige zudem heimische Produzenten, da bei Stromimporten keinerlei Netznutzungsgebühr von den Erzeugern vorgesehen sei. Wenn schon ein „Österreich-Aufschlag“, dann für Importstrom, fordert der Chef des größten Windkrafterzeugers im Land.

Die Bundesregierung, die noch mit den Oppositionsparteien nach einer Einigung für eine Zwei-Drittel-Mehrheit sucht, sieht die Lage nicht sonderlich dramatisch. Argumentationshilfe kommt von der Arbeiterkammer: In einer Analyse argumentiert sie, dass eine Kostenbeteiligung der Erzeuger von 15 Prozent an den Netzkosten (statt sechs Prozent heute) die Haushalte um mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr entlasten würde. Dass die Kosten umgekehrt bei den Strompreisen wieder aufgeschlagen würden, erwartet die Koalition nicht. Eine Fehleinschätzung, warnt Josef Plank, langjähriger ÖVP-Politiker und Präsident der IG Windkraft: „Die Kosten werden nicht irgendwo verschwinden. Strom wird teurer werden.“

Von Matthias Auer

Die Presse