Wie Verbündete der Ukraine Russlands Wirtschaft stützen

10. Oktober 2025, Berlin
Noch immer viel russische Fossile in Europas Pipelines
 - Nelahozeves, APA/AFP

Auch im vierten Jahr des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine füllen Länder der Europäischen Union die Kriegskasse Russlands durch milliardenschwere Energieimporte. Einige, darunter entschiedene Unterstützer der Ukraine wie Frankreich, haben jüngst sogar ihre Importe gesteigert. Dies zeigt eine Reuters-Analyse von Daten der unabhängigen finnischen Forschungsorganisation Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA).

Die Europäische Union (EU) steckt dabei in einer Zwickmühle. Aus der EU gehen umfangreiche Militär- und Finanzhilfen an Kiew, damit ist sie der größte Unterstützer Kiews. Obwohl die EU ihre Abhängigkeit von russischer Energie seit 2022 um rund 90 Prozent reduziert hat, importierte sie gleichzeitig allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres nach den CREA-Daten russische Energieträger im Wert von mehr als elf Milliarden Euro.

Den Daten zufolge haben sieben der 27 EU-Mitgliedstaaten ihre Importe im Vergleich zum Vorjahr sogar wertmäßig gesteigert. Darunter sind mit Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Kroatien und Rumänien fünf Länder, die die Ukraine im Krieg unterstützen. So stiegen die französischen Käufe russischer Energie um 40 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, während die Niederlande einen Anstieg um 72 Prozent auf 498 Millionen Euro verzeichneten. EU-Mitglied Ungarn, das enge Beziehungen zu Moskau unterhält, erhöhte seine Importe um elf Prozent. Insgesamt belaufen sich den Daten zufolge die Zahlungen der EU für russische Energie seit Beginn der Invasion 2022 auf mehr als 213 Milliarden Euro. Dem stehen nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Hilfszusagen für die Ukraine in Höhe von 167 Milliarden Euro gegenüber.

„Eine Form der Selbstsabotage“

Die Zahlungen aus Europa an Russland sind auch US-Präsident Donald Trump nicht verborgen geblieben. Vor der UN-Generalversammlung forderte er jüngst die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, alle derartigen Käufe sofort einzustellen. „Europa muss mehr tun“, forderte Trump. „Sie können nicht tun, was sie tun. Sie kaufen Öl und Gas von Russland, während sie gegen Russland kämpfen. Das ist peinlich für sie.“ Vaibhav Raghunandan, ein Experte für die Beziehungen zwischen der EU und Russland bei CREA, bezeichnete die Entwicklung als „eine Form der Selbstsabotage“. Die Energieverkäufe seien die größte Einnahmequelle für Russland. „Der Kreml erhält buchstäblich die Mittel, um seine Streitkräfte in der Ukraine weiter einzusetzen“, sagte er.

Das Energieministerium in Paris erklärte, die Energieimporte aus Russland seien gestiegen, weil Frankreich Kunden in anderen Ländern bedient habe. Länder oder Firmen nannte das Ministerium nicht. Analysten des Datendienstleisters Kpler zufolge deuten Gashandelsdaten darauf hin, dass ein Teil der russischen Importe Frankreichs nach Deutschland weitergeleitet wird. Die niederländische Regierung erklärte, sie sei ohne ein EU-weites Gesetz machtlos, bestehende Verträge zwischen europäischen Energiekonzernen und russischen Anbietern zu blockieren.

Im Zentrum des Problems stehen auch langfristige Lieferverträge, die oft bis in die 2030er oder 2040er Jahre laufen. Konzerne wie TotalEnergies aus Frankreich oder der verstaatlichte deutsche Gashändler SEFE sind durch solche Verträge gebunden. TotalEnergies teilte mit, man setze die Lieferungen aus der russischen Jamal-Anlage fort, da die Verträge ohne offizielle EU-Sanktionen nicht ausgesetzt werden könnten. Analysten zufolge scheuen die Unternehmen das Risiko von Vertragsstrafen, solange es kein klares rechtliches Verbot durch die EU gibt. „Letztlich kaufen Marktteilnehmer dieses Flüssiggas (LNG), nicht Staaten, und sie halten sich größtenteils an ihre langfristigen Verträge“, sagte Ronald Pinto, Gasanalyst bei Kpler.

Russische Wirtschaft nicht doppelt stützen

Besonders heikel ist die Lage für die deutsche Bundesregierung, da der von ihr kontrollierte Konzern SEFE russisches Gas importiert. Das deutsche Wirtschaftsministerium teilte mit, SEFE sei an einen langjährigen Vertrag zum Kauf von Flüssigerdgas (LNG) aus der russischen Jamal-Anlage gebunden – ohne eine Kündigungsoption. Aufgrund sogenannter Take-or-Pay-Klauseln müsse SEFE für die vereinbarten Mengen auch dann zahlen, wenn keine Lieferung erfolge. „Eine Nichtabnahme würde es Jamal ermöglichen, diese Mengen weiterzuverkaufen, was dann die russische Wirtschaft doppelt unterstützen würde“, sagte ein Ministeriumssprecher.

Die EU hat den Kauf von russischem Rohöl und Treibstoff bereits weitgehend verboten. Nun will sie in einem 19. Sanktionspaket gegen Russland auch ein Verbot von russischem LNG von 2028 auf 2027 vorziehen. Sanktionen müssen aber einstimmig von den EU-Ländern gebilligt werden. LNG macht inzwischen fast die Hälfte des Wertes der gesamten russischen Energieimporte aus. Ein vollständiges Verbot aller russischen Öl- und Gasimporte ist für 2028 geplant. Bis dahin könnte europäisches Geld jedoch weiter die Kriegsanstrengungen des Kremls mitfinanzieren. Analysten bezweifeln zudem, dass US-Lieferungen russisches LNG eins zu eins ersetzen könnten. „US-LNG ist in den Händen von Privatunternehmen, die keinen Anweisungen aus dem Weißen Haus und der Europäischen Kommission folgen, sie optimieren ihre Portfolios“, sagte Anne-Sophie Corbeau vom Center on Global Energy Policy der Columbia University.

(Von Marwa Rashad und Kate Abnett und Nerijus Adomaitis/Reuters)

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