
Der Mangel an klaren Vorgaben sorge für Verunsicherung bei Kunden, wobei Deutschland und seine politische Führung die Hauptschuld treffe, sagt der deutsche Autoexperte Dudenhöffer.
Ein Schritt vor, ein Schritt zurück. Und dann wundert man sich, dass nichts weiter geht.“ Für den Direktor des Center for Automotive Research (CAR) in Bochum, Ferdinand Dudenhöffer, ist klar, was die Elektromobilität auf vielen Straßen Europas, insbesondere aber in Deutschland, bremst. Es sei die Wankelmütigkeit der Autoindustrie und die fehlende Klarheit in der politischen Ansage, die bisher verhindert habe, dass Elektroautos nicht längst zum Selbstläufer geworden sind. Anders als etwa in China.
Bestes Beispiel, wiewohl im negativen Sinn, sei der am Donnerstag stattgefundene Autogipfel in Berlin, einer von mehreren in den vergangenen Jahren. Bundeskanzler Friedrich März (CDU) hat einem flexibleren Übergang zur Elektromobilität das Wort geredet, nachdem zuvor die Autoindustrie lautstark entsprechende Forderungen lanciert hat. „Einen harten Schnitt 2035 darf es nicht geben“, sagte der Kanzler des wichtigen und für den europäischen Markt maßgeblichen Autolandes. Der Koalitionspartner SPD ist derselben Meinung. Mit 2035 wird auf das vermeintliche Verbrennerverbot angespielt, das ab dem genannten Jahr laut EU-Vorgaben bei Neuzulassungen wirksam werden soll und auch in Österreichs Zulieferbranche für Unruhe sorgt.
„Es gibt kein Verbrennerverbot“, sagte Dudenhöffer am Freitag bei einer von Verbund in St. Wolfgang am Wolfgangsee veranstalteten Energiekonferenz. „Es gibt eine Vorschrift der EU-Kommission, ab dem Jahr 2035 nur noch Null-CO2-Fahrzeuge zum Verkehr zuzulassen“, präzisierte der Autoexperte. „Das ist technologieoffen.“
China zieht davon
Das große Problem sei vielmehr die Inkonsistenz der Politik bei der geplanten Dekarbonisierung auch des Individualverkehrs. Dadurch sei das Erreichen des nicht nur aus Umweltgesichtspunkten wichtigen Ziels, CO2-Emissionen im Pkw- und in der Folge auch im Schwerverkehrsbereich weitestgehend zu vermeiden, gefährdet. In der Zwischenzeit ziehe China an allen anderen Fahrzeugproduzenten mit einer bis vor kurzem nicht für möglich gehaltenen Rasanz vorbei und sichere sich einen technologischen Vorsprung.
China zeige klar, wie es gehe. Das mit 1,4 Milliarden Menschen neben Indien bevölkerungsreichste Land der Welt habe sich binnen vier Jahrzehnten durch eine vorausschauende und konsistente Politik von einem Entwicklungsland zu einem Vorzeigeland in Sachen Technologie gemausert. Auch wenn vieles, nicht zuletzt die autoritäre Regierungsweise, kritikwürdig sei: An der klaren Ausrichtung und Verfolgung eines Ziels könne und sollte man sich Anleihen von China nehmen.
Vorzeigeland
Vorzeigeland bei der Elektromobilität in Europa ist Norwegen. Der Anteil reiner Elektroautos (Battery Electric Vehicles; BEV) am gesamten Fahrzeugbestand liegt in dem skandinavischen Land aktuell bei knapp 30 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich sind es weniger als fünf Prozent. Für Neuzulassungen ist der Elektroanteil in Norwegen mit rund 90 Prozent noch deutlich höher. In Österreich lag der Anteil neu zugelassener E-Autos an allen Pkw-Neuzulassungen 2024 bei 17,6 Prozent.
Eine Warnung setzte Dudenhöffer seinen Ausführungen hinterher, indem er sagte, die Betreiber von Ladestationen insbesondere entlang von Autobahnen dürften nicht den Fehler begehen, Kundschaft abzuzocken. Wenn das Zurücklegen einer Strecke mit Strom plötzlich mehr koste als mit Diesel oder Benzin, sei das eine zusätzliche Bremse für das Vorankommen der E-Mobilität.
Der Standard