Schwach bei Emissions-Vermeidung: Klimapolitik lückenhaft

15. Oktober 2025, Wien
Emissionen im Verkehr seit 1995 kaum gesunken
 - Loosdorf, APA/THEMENBILD

Um dem Klimawandel wirksam zu begegnen, spricht viel für die direkte Vermeidung von Emissionen. Eine Studie zeigt nun aber auf, dass in Österreich politische Maßnahmen im Bereich Verkehr und Wohnen zwischen 1995 und 2024 nur in seltenen Fällen auf Emissionssenkung bei klimaschädlichen Gasen abzielten. Man setzte fast ausschließlich auf Effizienzsteigerungen und technologische Alternativen, heißt es seitens der Wiener Forschenden.

Maßnahmen, die darauf fokussierten, die „emissionsintensive Nachfrage“ von Einzelpersonen und Haushalten direkt zu vermeiden, blieben weitgehend ungenutzt, bilanziert das Team um die Politikwissenschafterin Alina Brad von der Universität Wien und ihren Kollegen Etienne Schneider. Damit wurde ein zentrales Potenzial zur Senkung von Treibhausgasemissionen nicht ausgeschöpft, hieß es in einer Aussendung zur vom Austrian Climate Research Panel (ACRP) geförderten und im Journal „Communications Earth & Environment“ erschienenen Arbeit.

Nur 5 Prozent der Maßnahmen setzen auf Vermeidung

Die Forschenden unterschieden in Maßnahmen, die zur Verbesserung, Verlagerung oder eben Vermeidung von Emissionen beitragen. Verbesserung meint z.B. den geförderten Einsatz emissionsärmerer Autos und damit einer bestehenden, aber energieeffizienteren Technologie. Unter Verlagerungsmaßnahmen fällt etwa, Anreize für den Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu setzen – so wie es in Wien etwa seit 1995 über die Einführung von Kurzparkzonen und Parkgebühren stattgefunden hat – oder für den Einsatz von Wärmepumpen. Vermeidungsmaßnahmen zielen darauf ab, beispielsweise über Raum- und Stadtplanung die unnötige Mobilität oder übermäßige Wohnraumnutzung einzudämmen.

Analysiert wurden 356 klimapolitische Maßnahmen in den Bereichen Verkehr und Wohnen, die auf EU-Ebene, auf Bundesebene und in den zwei bevölkerungsstärksten Bundesländern Wien und Niederösterreich gesetzt wurden. Die Studie zeigte: 218 aller untersuchten Maßnahmen und damit 61 Prozent förderten eine Verlagerung der Treibhausgasemissionen hin zu anderen Technologien, die mit weniger Emissionen verbunden sind. 34 Prozent (121 Maßnahmen) zielten auf Effizienzsteigerungen, gerade einmal 5 Prozent (17 Maßnahmen) auf Vermeidung ab.

„Allein den Verkehrsbereich betrachtet liegt der Prozentsatz bei der Vermeidung sogar nur bei 3,8 Prozent – gegenüber 6,7 Prozent im Wohnbereich. Man versucht in der Regel nicht, den Verkehr zu reduzieren, sondern auf öffentliche Transportsysteme umzuleiten oder Infrastruktur für E-Mobilität zu fördern. Aber dass man emissionsintensiven Verkehr konsequent aus der Stadt verdrängt, so wie es z.B. in Kopenhagen schon seit den 1990er Jahren verfolgt wurde, wird kaum angestrebt“, erläuterte Brad gegenüber der APA. Eine weitere Schwierigkeit auf dem Weg zu mehr Vermeidungsmaßnahmen: „Es gibt von Produktionsseite her ja kein Interesse daran. Die Bauwirtschaft will bauen, die Energiewirtschaft will Strom verkaufen – das gilt auch für die erneuerbare Energieunternehmen.“

Österreich als gutes Fallbeispiel

Österreich habe sich für die aktuelle Untersuchung gut geeignet: Das Land habe sehr ambitionierte Klimaziele – darunter Klimaneutralität bis 2040 – verabschiedet. Aber es „erreichte bis zuletzt (2022) keine substanziellen Emissionsreduktionen“, heißt es in der Studie: Damit liege es hinsichtlich der erzielten Ergebnisse zur Eindämmung des Klimawandels hinter dem EU-Durchschnitt zurück.

„Gerade im Verkehr sehen wir, dass Emissionen seit 1995 kaum gesunken sind. Besonders wohlhabende Haushalte verursachen überdurchschnittlich hohe Emissionen, u.a. durch Flugreisen“, so Brad. Abgaben auf Vielfliegen oder Verbote von Kurzstrecken- und Privatjetflügen könnten hier große Wirkung entfalten.

In Bezug auf die Haushaltsemissionen habe sich zudem gezeigt: „Problematisch ist, dass einkommensschwache Haushalte oder Mieter, insbesondere am Land, kaum Möglichkeiten haben, Maßnahmen wie Sanierungen, Wärmepumpen oder den Kauf eines E-Autos umzusetzen.“ Die oft EU-initiierten und dann national umgesetzten politischen Maßnahmen konzentrierten sich stark auf Förderungen zur Emissionsverlagerung und -verbesserung, „die hauptsächlich Haushalte mit ausreichendem Kapital nutzen können“, sagte Brad. Ohne gezielte politische Strategien könnten so zentrale Emissionsquellen unadressiert bleiben, und bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt werden.

Fairness als Leitmotiv notwendig

Schon in einer früheren Studie konnten Brad und Kollegen zeigen, dass vor allem Reiche Verursacher von Emissionen sind: „Das oberste Einkommensfünftel emittiert mehr als das vierte und fünfte Fünftel zusammen.“ Dieser Umstand blieb über den untersuchten Zeitraum zwischen 2000 und 2020 weitgehend konstant.

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung ist laut den Forschenden, dass nachfrageseitiger Klimaschutz als fair wahrgenommen wird – und jene Haushalte stärker in die Pflicht nimmt, die auch mehr Emissionen verursachen. Ohne die Erweiterung um Maßnahmen, die zur Vermeidung von Emissionen beitragen bzw. diese attraktivieren, würden auch weiterhin wichtige Einsparpotenziale verschenkt. Gleichzeitig drohe, dass sich die Abhängigkeit von riskanten CO2-Entnahmetechnologien weiter verfestige.

„Leider ist es hierzulande noch nicht breiter gesellschaftlicher bzw. mehrheitspolitischer Konsens, dass wir stark auf die Vermeidung von emissionsintensiven Materialien und Energieressourcen setzen sollten“, so Brad. Um hier eine breitere Zustimmung zu erhalten, müsse man u.a. eine stärkere Verknüpfung der Klimapolitik mit Themen wie Energiesicherheit, Gesundheit oder soziale Gerechtigkeit anstreben – „hier könnte man auch breitere Koalitionen bilden und verschiedene Interessensgruppen ansprechen, um die politische Unterstützung für Vermeidungsmaßnahmen zu erhöhen“, so die Forscherin.

(S E R V I C E – Frühere Studie in „Journal of Industrial Ecology“: https://doi.org/10.1111/jiec.70074 ; aktuelle Studie in „Communications Earth & Environment“: https://www.nature.com/articles/s43247-025-02800-5 )

APA