Die Generalsekretärin des Vereins Österreichs Energie, Barbara Schmidt, zum Thema Versorgungssicherheit, zur Frage, was verbessert gehört – und warum mehr Sachlichkeit gut wäre.
Der Umbau des Energiesystems von fossil auf erneuerbar wird oft mit einer Operation am offenen Herzen verglichen. Zuletzt sind die damit verbundenen Kosten in den Blickpunkt gerückt. Was die Generalsekretärin von Österreichs Energie, Barbara Schmidt, darüber denkt und warum mehr Erneuerbare nicht nur aus Klimaschutzgründen gut wären für Österreich.
STANDARD: Was ist Ihre Morgenroutine?
Schmidt: Medien checken. Das ist das Erste, was ich in der Früh mache.
STANDARD: Das letzte große Ding war die Tarifverordnung, die von der E-Control in Begutachtung geschickt wurde.
Schmidt: Ich hoffe sehr, dass jetzt wieder sachlich über den Umbau des Energiesystems diskutiert werden kann und nicht Motive durch das Argument, es sei zu teuer, in den Hintergrund treten. Die Kosten für den Ausbau der Stromnetze steigen 2026 mit durchschnittlich 1,1 Prozent moderat. Auch die Auflösung des Regulierungskontos auf Initiative des Wirtschaftsministeriums leistet dazu einen Beitrag.
STANDARD: Anfang 2025 sind die Stromnetztarife im Schnitt um mehr als 23 Prozent angehoben worden. Das hat die Politik auf den Plan gerufen, über Möglichkeiten nachzudenken, wie die Stromrechnung gesenkt werden kann. Die Gasnetztarife steigen dafür auch 2026 nochmals kräftig – im Schnitt um 18,2 Prozent.
Schmidt: Die Inflation ist zu hoch. Der Hauptgrund ist, dass wir stark von Gaslieferungen aus Russland abhängig waren und es nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zu einer Verknappung gekommen ist. Das hat zu deutlich höheren Preisen bei Gas und dann bei Strom geführt, weil auch Gas zur Stromproduktion eingesetzt wird. Der Umbau des Energiesystems ist nicht nur aus Klimaschutzüberlegungen notwendig, sondern auch aus Sicherheits- und Wettbewerbsgründen. Hätten wir in ganz Europa damals schon mehr Erneuerbare im Netz gehabt, hätte uns der Gaspreisschock weniger stark getroffen.
STANDARD: Ein Plädoyer für den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze, trotz steigender Kosten?
Schmidt: Ja, aber geordneter als bisher und synchron. Der überdurchschnittliche Anstieg der Netztarife im heurigen Jahr ist auch dem Boom der vergangenen Jahre bei Photovoltaik (PV) geschuldet. Deshalb ist es sinnvoll, dass man die Erneuerbaren geordnet ausbaut, und zwar überall; Wind nicht nur im Osten Österreichs, sondern auch im Westen, PV nicht nur auf Dächern, sondern auch auf Freiflächen, klug ins System integriert und auf Basis von koordinierten Netzausbauplänen.
STANDARD: Windkraft- und PV-Anlagenbetreiber klagen über lange Wartezeiten, bis sie einen Netzanschluss erhalten. Was läuft da schief?
Schmidt: Man soll die Kirche im Dorf lassen. Allein im Vorjahr sind PV-Anlagen mit einer Leistung ans Netz gegangen, die der Summe aller Kraftwerke an der Donau entspricht. Dass es da und dort etwas dauert – geschenkt. Wir können immer besser werden. Tatsache ist, dass Österreich trotz dieses explosionsartigen Zubaus in puncto Versorgungssicherheit mit ungeplanten Stromausfällen von durchschnittlich nur 23 Minuten auch im Vorjahr wieder auf einem Spitzenplatz lag.
STANDARD: Ist die Stromversorgung sicher, oder hatten wir bisher mehr Glück als Verstand?
Schmidt: Das System zu managen wird mit der steigenden Zahl an Marktteilnehmern und mehr volatiler Energie im Netz zunehmend komplexer. Man kann nicht ausschließen, dass eines Tages etwas passieren wird, so ehrlich muss man sein. Die Mitgliedsunternehmen von Österreichs Energie tun jedenfalls ihr Möglichstes, um ungeplante Ausfälle zu verhindern. Das alles hat seinen Preis.
STANDARD: Die Netztarife, die neben dem reinen Strompreis und Steuern rund ein Drittel der Stromrechnung ausmachen, bleiben auf absehbare Zeit hoch, bevor sie sinken?
Schmidt: Derzeit haben wir das Schlechteste aus beiden Welten. Wir bauen ein Stromsystem, das alle Stückerln spielt, dementsprechend viel kostet, sind aber noch nicht dort, wo wir mit der Elektrifizierung hinwollen.
STANDARD: Verstehen Sie Leute, die nicht verstehen, warum viel Geld in Netze investiert werden soll, obwohl alles klaglos funktioniert?
Schmidt: Das zeigt nur, dass man noch mehr erklären muss. Etwa dass jemand, der PV am Dach hat, trotzdem das Netz braucht, spätestens im Winter, wenn auch Speicher nicht mehr für die Eigenversorgung reichen.
STANDARD: Anderes Thema: Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Ihre Vorgängerin beim Verband der E-Werke, wie Österreichs Energie früher hieß, ist irgendwann in den Verbund-Vorstand aufgerückt. Wäre die Zeit nicht auch für Sie längst reif für einen Vorstandsjob?
Schmidt: Diese Frage stellt sich jetzt nicht.
STANDARD: Warum nicht?
Schmidt: Weil es da, wo ich gerade bin, noch viele spannende Aufgaben gibt.
STANDARD: Bewerben Sie sich um eine Führungsfunktion bei der E-Control, wo Wolfgang Urbantschitsch nach zwei Perioden nicht mehr antreten darf? Die Bewerbungsfrist läuft noch bis Ende Oktober.
Schmidt: Ich habe mich nicht beworben und werde mich auch nicht bewerben.
BARBARA SCHMIDT (54) ist Juristin, seit 2007 Generalsekretärin des Vereins Österreichs Energie mit 140 Mitgliedern, die über 90 Prozent der heimischen Stromerzeugung generieren.
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