Die Pumpspeicherkraftwerke in Kaprun könnten Jahre stillstehen, zig Millionen an Schäden drohen. Wer zahlt dafür?
Was schiefgehen kann, geht schief. Dass „Murphy‘s Law“ selbst bei scheinbar unsinkbaren Konzernen, wie dem teilstaatlichen Verbund seine Gültigkeit hat, weiß deren Chef Michael Strugl spätestens seit vergangener Woche. Anfang September hob er das knapp 600 Millionen Euro teure Pumpspeicherkraftwerk Limberg III in Kaprun aus der Taufe. Schon beim Bau ging nicht alles glatt: Nach dem Einbruch eines Stollens waren die Arbeiten fünf Monate lang unterbrochen, bis die Arbeiter die Tunnelbohrmaschine händisch wieder von Geröll und Wassermassen befreit hatten. Dennoch war das Unternehmen ein halbes Jahr vor der Zeit über der Ziellinie.
Doch kaum im Ziel angekommen, war klar: Die von Andritz gelieferten Generatoren waren offenbar Montagsgeräte. Ein Isolationsfehler müsse behoben werden, was „Monate in Anspruch nehmen“ werde, so der Verbund. Aber nicht nur das: Im Zuge der Schwarzstartversuche wurde auch bekannt, dass ein neuer Transformator bei der sogenannten Kaprun Oberstufe (Limberg I) defekt ist und getauscht werden muss. Die beiden Vorfälle haben nichts miteinander zu tun, fallen aber zeitlich höchst unglücklich zusammen, so ein Insider zur „Presse“. Murphy‘s Law eben. Und es könnte noch schlimmer kommen.
47 Millionen Gewinnentgang?
Der „ORF Salzburg“ zitiert aus internen Papieren des Konzerns, wonach Verbund damit rechnen muss, nun ein bis zwei Jahre auf einen neuen Transformator für Limberg I warten zu müssen. Alleine die entgangenen Einnahmen aus dieser Zeit würden finanzielle Kosten in Höhe von 47 Millionen Euro nach sich ziehen, heißt es. Das Unternehmen bestätigt die Zahlen auf Anfrage der „Presse“ nicht, betont aber, dass „die betroffenen Maschinen allesamt in der Herstellergarantie“ seien. Im Fall des Pumpspeicherkraftwerks Limberg III ist der Lieferant der steirische Maschinenbauer Andritz. Den Transformator für Limberg I hat das Unternehmen beim niederländischen Hersteller Royal Smit Transformers erstanden.
Beide Hersteller sind derzeit dabei, gemeinsam mit Verbund-Mitarbeitern und externen Experten eine detaillierte Schadensanalyse vor Ort durchzuführen. Erst wenn diese abgeschlossen sei, könne das Unternehmen eine seriöse Abschätzung zu etwaigen finanziellen Ausfällen machen, hieß es. Andritz betonte, in den kommenden Tagen einen beschleunigten Reparaturplan ausarbeiten zu wollen, „damit Verbund den Betrieb in wenigen Monaten wieder aufnehmen kann“.
Genug Pumpspeicher
Die Stromversorgung des Landes ist durch das technische Gebrechen jedenfalls nicht in Gefahr, beruhigt E-Control-Chef Alfons Haber. Den beiden Stauseen am Fuße des Großglockners wird eine wichtige Rolle bei der Energiewende zugeschrieben, weil sie überschüssigen Strom aus Wind und Sonne in höher gelegene Speicherseen pumpen und daraus wieder Strom erzeugen, wenn er benötigt wird. Zudem ist das Kraftwerk eben schwarzstartfähig, kann also im Falle eines Blackouts auch ohne Strom aus dem Netz selbst anlaufen und so die Stromversorgung schrittweise wieder aufbauen.
Die Kraftwerksgruppe Kaprun besteht aus vier Kraftwerken mit einer Pumpspeicherleistung von insgesamt 1380 Megawatt (MW). Der Ausfall von Limberg III kostet 480 MW Kapazität (die dem Land bisher aber auch nicht zur Verfügung gestanden ist), durch den Defekt bei Limberg I kommen weitere 160 MW hinzu, die nun fehlen. Das sind in Summe rund 57 Prozent der Pumpspeicherleistung in Kaprun. Dennoch sei Österreich weiter gut aufgestellt, so der E-Control-Vorstand Alfons Haber: „Von den insgesamt rund 4.800 Megawatt an Pumpspeicher-Kapazitäten in Österreich sind noch immer mehr als 4000 Megawatt verfügbar“. Zudem gebe es auch im Falle eines Blackouts keinen Grund zur Besorgnis. Österreich verfüge noch über viele schwarzstartfähige Kraftwerke, die regional gut verteilt seien.
Von Matthias Auer
Die Presse


