Das plötzliche Comeback der grünen Geldanlage

20. November 2025

Nach schwierigen Jahren sind Aktien aus dem Segment wieder gefragt. Möglich macht das der Stromhunger der Rechenzentren. Was Experten jetzt raten.


Aktien aus dem Bereich erneuerbare Energien waren tief gefallen. Auf den Hype samt steilem Kursanstieg in den Jahren 2020 und 2021 folgte eine deutliche Korrektur. Jetzt feiert die grüne Geldanlage ein Comeback. Sebastian Kuhnert, Fondsmanager bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, sagt: „Nach einer Zeit der Neuorientierung erleben wir eine deutliche Neubewertung durch den Kapitalmarkt, die nicht mehr von einem undifferenzierten Hype wie noch im Jahr 2021, sondern von fundamentalen Faktoren getragen wird.“ Kuhnert und weitere Experten sehen in dem Segment daher wieder Chancen für Anleger.


Der Warburg-Experte hält zwei Kurstreiber aktuell für entscheidend: das stark geopolitisch bedingte Streben nach Energieunabhängigkeit sowie den zunehmenden Energiebedarf durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz. In der Kombination sorge dies für „eine robuste strukturelle Nachfrage“. Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge unterzeichneten Amazon, Microsoft, Meta und Google 43 Prozent aller Stromabnahmeverträge für umweltfreundlich erzeugte Energie im Jahr 2024. Auch Deutschland will ab dem Jahr 2027 seine Rechenzentren zu 100 Prozent mit „sauberer“ Energie versorgen.


Als Risiken erkennen Experten unter anderem wieder steigende Zinsen. Denn wie Tobias Merfeld, Investmentstratege beim britischen Vermögensverwalter L&G Asset Management, sagt: „Erneuerbare Energien sind kapitalintensiv und empfindlich gegenüber Finanzierungskosten.“


Politische Spannungen bleiben ebenfalls eine Herausforderung, da der Sektor von öffentlichen Subventionen und Investitionen abhängt. Die USA etwa setzen zwar auf Technologien für grüne Energieerzeugung, sind aber aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und haben zuletzt Förderprogramme für Wind- und Solarenergie gestoppt. Zur Klimakonferenz im brasilianischen Belém haben sie keine Delegation entsandt.


Eine weitere Herausforderung stellt überlastete Infrastruktur dar. Der Ausbau der Stromnetze und Speichersysteme entspreche in vielen Ländern längst nicht dem Bedarf, sagt Hauke Hansen, Technologieexperte und Mitgründer des Wagniskapitalfonds „AI Fund“: „Das limitiert Einspeisemöglichkeiten und bremst das Renditepotenzial.“
Insgesamt bewertet Hansen den Ausblick des Marktes für erneuerbare Energien aber positiv: „Zurzeit – und vermutlich auch mittelfristig – überwiegen die Chancen die Risiken und schaffen für Anleger ein potenziell interessantes Umfeld.“ Seiner Beobachtung nach bewerten vor allem Großinvestoren das Segment wieder positiv: „Nach zwei eher schwachen Jahren, geprägt von Kapitalabflüssen, sind institutionelle Investoren 2025 wieder in großem Umfang in den Sektor zurückgekehrt“, sagt Hansen.


Der einfachste Weg für Anleger, in erneuerbare Energien zu investieren, sind börsengehandelte Fonds (ETFs). Der US-Fondsanbieter Blackrock hat beispielsweise zwei ETFs auf den Index „S&P Clean Energy Transition Index“ im Programm: einen, der die Dividendenzahlungen ausschüttet (ISIN: IE00B1XNHC34), und einen, der die Dividenden direkt wieder anlegt (IE000U58J0M1). Der Index ist seit Anfang 2025 um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Alternativ können Anleger einzelne Aktien kaufen. Experten nennen beispielsweise Duke Energy (US26441C2044). Das Unternehmen ist einer der größten Stromversorger der USA, beliefert sechs US-Bundesstaaten mit Strom und baut Übertragungs- und Verteilernetze.


In den vergangenen Jahren konnte das Unternehmen seine Gewinne von Jahr zu Jahr erhöhen. Von 24 Analysten raten dem Finanzdienst LSEG zufolge derzeit aber nur elf zum Kauf der Aktie. Bei zwölf lautet das Rating „halten“, einer rät zum Verkauf. Ihr durchschnittliches Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt elf Prozent über dem aktuellen Kurs.


Besonders großes Potenzial sieht Fondsgründer Hansen in der Solarenergie. „Der Solarbereich erhält aktuell weltweit die höchsten Investitionssummen – etwa die Hälfte aller Cleantech-Investments fließt 2025 in Photovoltaik“, sagt er. Als wachstumstreibende Märkte nennt Hansen China, Indien und Europa.


Zu den Technologieführern gehört Shoals Technologies (US82489W1071), ein Unternehmen, das sich auf Solarenergie und Batterietechnologie spezialisiert hat und einen hohen Auftragsbestand aufweist. Nach schwachen Ergebnissen in den vergangenen beiden Jahren dürfte der Gewinn laut Prognose im Jahr 2025 gegenüber dem Vorjahr um 80 Prozent steigen.


Hier raten 15 von 21 Analysten zum Kauf der Aktie. Fünf Aktienexperten empfehlen, das Papier zu halten, einer rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit elf Dollar mehr als 20 Prozent über dem aktuellen Niveau.
Ebenfalls im Aufwärtstrend befindet sich der US-Solarriese First Solar (US3364331070), dessen Aktie das zweitgrößte Gewicht im Global Clean Energy Transition Index aufweist. „Solche Unternehmen mit lokaler Wertschöpfung sind auch wegen erhöhter Zölle der USA gegenüber China wieder stärker nachgefragt“, sagt Daniel Tubik, Portfolioberater bei GLS Investments, Tochter der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten GLS Bank aus Bochum.

First Solar hat sein Nettoergebnis seit 2022 kontinuierlich verbessert. Hier stehen 34 Kaufempfehlungen sechs zum Halten und einer zum Verkaufen entgegen. Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate von zwei Dollar hat die Aktie allerdings fast erreicht.

Handelsblatt