„Wir haben die Kritik sehr ernst genommen“

21. November 2025, Wien

Elisabeth Zehetner. Wie die Energiestaatssekretärin (ÖVP) das „Billigstrom-Gesetz“ verteidigt und warum sie zuversichtlich ist, dieses mit FPÖ oder Grünen umsetzen zu können.

INTERVIEW
Am Dienstag hat die Regierung das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) vorgelegt. Die Vertreter der Erneuerbare-Energie-Branche äußern großen Unmut.


KURIER: Es gibt breite Kritik, dass Sie das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) jetzt „Billigstrom-Gesetz“ nennen. Wird Strom nicht sogar teurer, wenn man Erzeugern höhere Anschluss- und Einspeisegebühren verrechnet, die sie dann an die Kunden weitergeben?
Elisabeth Zehetner: Die Anschlussentgelte haben wir in der Höhe von 30 Prozent valorisiert, das Gesetz war ja immerhin 20 Jahre alt. Gleichzeitig haben wir festgelegt, dass systemdienliche Standorte davon ausgenommen sind. Für die ändert sich also nichts.

Müsste es nicht dennoch in die entgegengesetzte Richtung gehen? Österreich hat eine der höchsten Netzgebühren Europas, was heimische Versorger weniger konkurrenzfähig macht.

Wer eine Infrastruktur nutzt, um darüber seine Waren zu verkaufen, soll sich an dieser auch beteiligen. Die Stromnetze werden ja nicht nur für den Verbrauch, sondern auch für den Transport und Verkauf genutzt. Das machen auch die Erzeuger Erneuerbarer, und deshalb wird in Zukunft eine kleine Einspeisegebühr fällig. Und zwar mit einem Freibetrag für alle Anlagen, der bis sieben Kilowatt gilt. Einen Großteil der privaten Haushalte wird das nicht betreffen.

Wie viele PV-Anlagenbesitzer treffen die sieben kW?
Es ist ja keine Anlagengröße ausgenommen, sondern es gibt einen Freibetrag bis zur Einspeiseleistung von sieben kW. Darüber wird ein Entgelt fällig. Alle profitieren, egal, wie groß die Anlage ist. Und: Erneuerbare, die Hybrid-Anlagen bauen, also zum Beispiel Solar mit einem Windspeicher kombinieren, sind von der Spitzenkappung ausgenommen.

Die Kritik der Erneuerbaren-Verbände ist dennoch massiv. Österreich hat großes Potenzial beim Ökostrom. Macht die Regierung zu wenig, um dieses zu fördern?
Wir haben diese Kritik sehr ernst genommen und sind die Punkte in vielen Runden mit den Verbänden durchgegangen. Ich möchte aber schon sagen, dass wir zum Beispiel bei der Spitzenkappung sehr wohl versucht haben, auf die Bedenken einzugehen. Den Betreibern muss schon am Vortag um neun Uhr bekannt gegeben werden, wann die Spitzen gekappt werden und wie viel Stromverlust sie einplanen müssen. Damit wird es für sie deutlich einfacher.

Greenpeace kritisiert, dass Sie auch den fossilen Stromerzeugern einen größeren Anteil der Netzentgelte hätten umhängen können, statt die Erneuerbaren abzustrafen. Wieso kam das nicht infrage?
Weil es europarechtliche Vorgaben gibt, dass man Netzentgelte nicht nach Erzeugungsarten differenziert erlassen kann. Deshalb ist das auch nie diskutiert worden.

Sie vergünstigen Geringverdienern mit einem Sozialtarif den Strom. Aber inwiefern vergünstigt er sich für den Großteil der Österreicher?
Der größte Punkt ist, dass wir 450 Millionen Euro nutzen werden, um von 2027 bis 2029 die Netzentgelte zu dämpfen. Das sind pro Jahr um drei Prozent weniger Netzkosten. Zudem wird die Abschreibungsdauer auf die tatsächliche Nutzungsdauer der Netzanlagen abgestellt, und wir haben eine Preis-runter-Garantie festgeschrieben. Heißt: Versorger müssen Preissenkungen innerhalb von sechs Monaten weitergeben.

Gibt es eigentlich auch Pläne, die Speichertechnologien in Österreich auszubauen? Das würde auch gegen Netzschwankungen helfen.

Grundsätzlich ist es unser Ziel, möglichst viel Erneuerbare Energie in unser System zu integrieren. Dafür brauchen wir unterschiedliche Speichertechnologien: Pumpspeicher für mittelfristige Lastverschiebungen, Batteriespeicher für kurzfristige und Wasserstoff für langfristige. Indem wir systemdienliche Speicher für 20 Jahre von den Netzentgelten ausnehmen, schaffen wir dafür die Rahmenbedingungen.

Das Hauptproblem: Sie brauchen für das ElWG eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Welche Signale bekommen Sie von den Grünen und der FPÖ?
Beide haben grundsätzliches Interesse an Verhandlungen bekundet. Ich bin sehr zuversichtlich und sehe keinen Grund, warum die Grünen oder die FPÖ hier nicht mitgehen sollten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir ein fachlich sehr gutes Gesetz auf den Tisch gelegt haben.

Hat es Sie irritiert, dass Neos-Klubchef Yannick Shetty das ElWG am Montag via Ö1 zuerst verkündet hat? Das ist Ihre Materie.
Ich würde es so formulieren: Ich kommuniziere gerne dann, wenn die Dinge wirklich richtig und gut auf den Weg gebracht sind.


Sie wurden kurz als Nachfolgerin von Harald Mahrer gehandelt, und Martha Schultz will das Amt nur vorübergehend bekleiden. Reizt Sie der Posten der WKO-Präsidentin langfristig?
Ich bin 2003 als Mitarbeiterin in die Wirtschaftskammer eingetreten, habe dort viele Jahre verbracht. Die WKO ist sehr wertvoll für die Unternehmen. Aber ich bin keine Unternehmerin, deshalb kann ich auch nicht Präsidentin werden. Wir haben jetzt viel zu tun in der Energiepolitik, und hier sehe ich meine Aufgabe. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist gerade am Weg, zur Regierungsvorlage zu werden.

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