„Wir machen den Strom nicht teurer“

24. November 2025, Wien

Energie. Wie beeinflusst das neue Strommarktgesetz die Preise für Elektrizität in Österreich?


Die Aufregung um die kurzfristig in „Billigstromgesetz“ umgetaufte Reform des österreichischen Strommarktes reißt nicht ab. Seit die Regierung das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) am Dienstag in den Ministerrat geschickt hat, klagen heimische Energieunternehmen lautstark über die Folgen der Novelle. Der Ausbau der Erneuerbaren werde gebremst statt beschleunigt, der Netzausbau nicht erleichtert und Strom mit einem „Österreich-Aufschlag“ unnötig verteuert statt verbilligt, kritisierte etwa Burgenland-Energie-Chef Stephan Sharma stellvertretend für viele in der Branche. Die Regierung rückt derweil zur Verteidigung des Gesetzespakets aus.
Es gebe guten Grund, auf dieses Gesetz stolz zu sein, reagiert Elisabeth Zehetner, zuständige Staatssekretärin im ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium, im Gespräch mit der „Presse“ auf die Kritik an dem Gesetz.

„Häuslbauer ausgenommen“
Mit dem Gesetz würden die Rahmenbedingungen geschaffen, um systemische Reformen auf dem Strommarkt voranbringen zu können. Die Netze würden entlastet, da Überschussstrom nicht mehr automatisch in die Leitungen gedrückt werden dürfe. Flexiblere Tarife, große Batteriespeicher und die Versorgung von Industriebetrieben über Direktleitungen würden ermöglicht, die Haushalte könnten sich auf stabilere Energie- und Netzkosten einstellen.
„Wir machen den Strom mit diesem Gesetz nicht teurer“, sagt Zehetner in Richtung der Erzeuger, die seit Monaten gegen die Ausweitung der Netzkosten für Kraftwerksbetreiber Sturm laufen. Sorge vor zusätzlichen Belastungen hatten sowohl große Energieversorger als auch kleine Solaranlagenbesitzer. Zumindest Letztere können nach Durchsicht der Regierungsvorlage weitgehend aufatmen. Wer nicht mehr als sieben Kilowatt Einspeiseleistung benötigt, muss für die Einspeisung seines Solarstroms gar nichts bezahlen. Wer mehr benötigt, zahlt nur für die Differenz. „Damit ist ein Großteil der Häuslbauer komplett ausgenommen“, so Zehetner.

Windräder im Burgenland
Gegen die harte Kritik der großen Produzenten an der Erhöhung der Netzkosten bringt sich Arbeiterkammer-Experte Joel Tölgyes in Stellung: Die Endkunden hätten im zweiten Halbjahr 2024 noch um 170 Prozent mehr pro Kilowattstunde bezahlt als 2019, argumentiert er gegenüber der „Presse“. Gleichzeitig lägen die Gewinne der Branche um ein Fünftel über den Werten von 2023. Bis dato würden die Erzeuger nur sechs Prozent der Netzkosten bezahlen. Den Rest müssten die Kunden schultern. Wenn nun die Last anders verteilt werde, „ist das sofort auf der Stromrechnung spürbar“, so Tölgyes.

Anders als in den meisten Ländern Europas zahlen heimische Versorger bereits über den Energiekrisenbeitrag (vulgo: Gewinnabschöpfung) gehörig ins Bundesbudget ein. Dennoch würden sie nicht über Gebühr belastet, meint Zehetner. Vor allem die Argumentation, dass durch die höheren Kosten auch die Strompreise zwingend steigen müssten, weist sie zurück. Hält sich die E-Control bei der Festlegung der Netztarife an die EU-Vorgabe von 0,05 Cent je Kilowattstunde, sei das „viel zu wenig, um Einfluss auf die Großhandelspreise zu haben“. Im Gesetzestext sei sogar ein eigener Sicherheitsmechanismus vorgesehen, der den Regulator anweist, bei der Ausgestaltung der Netzentgelte den wirtschaftlichen Betrieb von Groß- und Kleinanlagen und „das Unterbleiben nachteiliger Auswirkungen auf die Strompreisentwicklung sicherzustellen“.

Die Erneuerbaren-Vertreter kritisieren indes, dass vor allem die Netzanschlussgebühren für neue Kraftwerke mit 30 Prozent plus massiv erhöht werden sollen, was den weiteren Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken bremse. Auch das sei nur die halbe Wahrheit, kontert Zehetner. Zwar stimme es, dass eine „Valorisierung der Netzanschlussentgelte von 30 Prozent“ vorgesehen sei. Im Gegenzug erhielten Anlagen, die sich „netzdienliche Standorte“ suchen, aber auch 30 Prozent Rabatt auf ebendiese Kosten. Mit anderen Worten: Da, wo schon viele (in den Augen mancher zu viele) Windräder stehen – etwa im Burgenland–, wird der Ausbau teurer. Wo es heute zu wenige Wind- und Solarkraftwerke und ausreichend Netzkapazitäten gibt, werde der Ausbau hingegen vergleichsweise billiger sein.

Von Matthias Auer

Die Presse