Der Strombedarf Künstlicher Intelligenz wächst rasant. Die nächsten fünf Jahre entscheiden laut Experten, ob Österreich eigene Rechenzentren bekommt oder digital abgehängt wird.
Während Künstliche Intelligenz (KI) weltweit einen Innovationsrausch auslöst, wächst im Hintergrund ein Problem, das gerne übersehen wird: ihr Stromhunger. Schon heute verbraucht ein großes KI-Modell samt Rechenzentren so viel Energie wie ein mittelgroßer Industriebetrieb. Und der Bedarf steigt rasant. Branchenanalysen prognostizieren bis 2030 eine Verdoppelung des Energieverbrauchs der globalen Rechenzentrumslandschaft. Getrieben wird dies nicht zuletzt von Chatbots, Bildgeneratoren und automatisierten Analysesystemen, die in nahezu allen Wirtschaftsbereichen Einzug halten. „Ohne Energie keine Intelligenz“, bringt es Hans-Peter Schmid, Partner bei Arthur D. Little, im STANDARD-Gespräch auf den Punkt.
Einbindung von Experten
Schmid, der erst heuer vom Beratungsunternehmen Accenture kommend zu ADL gestoßen ist und die Themen Energie, Utilities und Ressourcen betreut, hält die Schätzungen zur Entwicklung des Energieverbrauchs für konservativ. Sie spiegelten wider, dass KI in privaten Haushalten erst ganz am Beginn steht und auch in Gewerbe und Industrie über Erstanwendungen noch kaum hinausgekommen ist. Das werde sich aber radikal ändern, ist Schmid überzeugt. In Europa geht man bis 2035 von einer Verdreifachung des Energiebedarfs allein für Rechenleistung aus.
Diese Entwicklung zwinge die Europäische Union und damit auch Österreich zu einer strategischen Entscheidung. Denn während die Nachfrage nach KI-Leistung exponentiell wächst, konzentrieren sich die großen Rechenzentrumsbetreiber bisher vorrangig auf Standorte in den USA, Skandinavien, teilweise auch Irland. Dort locken stabile politische Rahmenbedingungen, große verfügbare Flächen und – besonders wichtig – ein gesicherter Zugang zu günstiger, erneuerbarer Energie.
Österreich hingegen drohe zwischen Anspruch und Wirklichkeit zerrieben zu werden. Einerseits betonten Politik und Wirtschaft unisono, dass man beim KI-Wettlauf nicht abgehängt werden dürfe, sagt Schmid. Andererseits fehle es an einer klaren Standortstrategie für moderne Rechenzentren – und damit an Rechenkapazität, auf die neben der heimischen Forschung auch Tech-Start-ups und Industrie künftig angewiesen sein werden.
Dabei brächte der Aufbau eines nationalen Rechenzentrumsclusters nicht nur technologische Unabhängigkeit, sondern auch wirtschaftliche Chancen. Die Branche schaffe hochqualifizierte Arbeitsplätze, generiere Investitionen in Milliardenhöhe und stärke indirekt jene Sektoren, die besonders von KI profitieren – von der Medizin über die Mobilität bis zur Energiewirtschaft selbst. Außerdem ließe sich der Ausbau mit Österreichs starkem erneuerbaren Energiemix verbinden. Wasserkraft, Photovoltaik, Wind und ambitionierte Speicherprojekte könnten ein sauberer Motor für die digitale Infrastruktur der Zukunft werden, ist Schmid überzeugt.
Doch die Zeit dränge. Schon jetzt wichen Unternehmen vermehrt auf ausländische Rechenzentren aus, weil in Österreich geeignete Standorte fehlten oder Verfahren jahrelang dauern würden. Das könnte Abhängigkeiten weiter verschärfen. Wer keine eigenen Kapazitäten vorhalte, werde künftig für jedes KI-Modell, jede Analyse und jede datenintensive Innovation auf ausländische Anbieter angewiesen sein und damit auch auf Staaten, die mit dem digitalen Rohstoff Rechenzeit zunehmend geopolitische Interessen verfolgten. „Die nächsten fünf Jahre entscheiden, ob Österreich zurückfällt oder nicht“, sagt ADL-Experte Schmid.
Öko-Komponente
Das Thema habe freilich auch eine ökologische Komponente. KI werde nur dann nachhaltig nutzbar sein, wenn ihre Energieversorgung es ebenfalls ist. Das erfordere einen raschen und konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien samt notwendiger Infrastruktur – von Netzen über Umspannwerke bis Speicheranlagen. Das sei teuer und das Versprechen der Politik, kurz- bis mittelfristig für günstigen Strom zu sorgen, sei zweifelhaft. Schmid: „Das klingt wie die Quadratur des Kreises.“ Ein modernes Rechenzentrum in Österreich könnte – klug geplant – aber unzweifelhaft ein Paradebeispiel für energieeffiziente Architektur, Abwärmenutzung und Netzstabilisierung werden.
Der Standard



