Energie. Aktien von Energiekonzernen, vor allem solchen, die auf Erneuerbare Energie setzen, haben heuer überdurchschnittlich zugelegt. Die Rallye dürfte weitergehen.
Ist der von der Regierung geplante Strompreis-Deckel für Krisenzeiten gut oder schlecht für die Wirtschaft? Noch ist das Gesetz nicht fix, diskutiert wird jedoch heftig, und je nachdem, wen man fragt, fallen die Antworten unterschiedlich bis konträr aus. Faktum ist, dass trotz aller Sparbemühungen der Haushalte und dem infolge der Wirtschaftsflaute geringeren Verbrauch der Industrie der Hunger nach Strom wächst.
Weltweit stieg der Energieverbrauch im Vorjahr laut dem „Global Energy Review“ der IEA um 2,2 Prozent, wobei Strom der Haupttreiber der Entwicklung war. Heuer soll das Plus der IEA-Prognose zufolge 3,3 Prozent und 2026 sogar 3,7 Prozent betragen. Im nun bald zu Ende gehenden Jahr findet zudem ein Paradigmenwechsel statt: Mehr als ein Drittel der Energie (36 Prozent) kommt aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Windkraft und Solaranlagen, und löst damit Kohle (32 Prozent) als Hauptlieferant ab.
Auch wenn die EU ihren „Green Deal“ massiv aufgeweicht hat: Für Stromproduzenten, vor allem jene, die auf erneuerbare Quellen setzen, aber auch die fossilen Erzeuger, für Versorger und letztlich die hunderten Zulieferer etwa von Steuerungstechnologien, Maschinen und Anlagen und nicht zuletzt die Produzenten von Atomstrom, den die EU inzwischen auch als „grün“ einstuft, sind das sehr positive Aussichten. Letztere werden einmal gesondert betrachtet. Für die Aktienkurse dürfte das weiteren Schub bedeuten. Schon im laufenden Jahr haben Energiepapiere durchwegs kräftig an Wert gewonnen. Anleger, die bereits investiert sind, können sich die Hände reiben, Newcomer könnten einen Einstieg erwägen.
Die Dividendenzahler
Prinzipiell bieten sich drei Varianten für ein Investment, je nach Risikoaffinität:
Anleger, die großen Wert auf Sicherheit legen, sollten stabile Energieversorger, die auch regelmäßig Dividenden ausschütten, bevorzugen. Dazu zählen die beiden großen Versorger E.On und RWE. Die Aktien von E.On haben trotz mehrerer Rücksetzer im Jahresabstand 36 Prozent zugelegt. Allerdings sorgen die noch nicht bekannten künftigen regulatorischen Rahmenbedingungen der Bundesnetzagentur für Unsicherheit, wie Goldman-Sachs-Experte Alberto Gandolfi schreibt. Das Netzgeschäft von E.On ist stark von der Verzinsung abhängig, die von der Bundesnetzagentur vorgegeben wird. Offen ist, wie dies ab 2029 aussehen wird.
Ein 48-prozentiges Kursplus verbucht RWE, die Erhöhung der Dividende für 2025 gilt als fix. Erst vor wenigen Tagen hat RWE eine Partnerschaft mit dem US-Investor Apollo Global Management fixiert. Er stellt für das Joint Venture, das den Ausbau der Stromübertragungsnetze vorantreiben soll, 3,2 Milliarden Euro bereit. Gut funktionierende kapazitätsstarke Netze sind weltweit die Voraussetzung für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Die Analysten raten überwiegend zum Kauf der RWE-Aktie und sehen ein rund zehnprozentiges Kurspotential.
Siemens Energy im Aufwind
In dem wachsenden Bereich der Erneuerbaren sticht Siemens Energy heraus. Das 2020 aus dem Technologie-Riesen Siemens ausgegliederte Energie-Unternehmen hat – hauptsächlich wegen der strauchelnden Windkraft-Tochter Gamesa – harte Zeiten hinter sich. Die Probleme sind weitgehend gelöst. Strategisches Ziel des Managements: ein integriertes Energietechnologieunternehmen mit ESG-Fokus zu werden. Im Geschäft mit Ausrüstungen für Stromnetze und -speicher sowie Gasturbinen zählt das Unternehmen schon zu den weltweit führenden. Die Ausrichtung stimmt, wie die Aktie zeigt: Sie hat sich binnen eines Jahres um 144 Prozent verteuert und liegt mit 122 Euro nur knapp unter dem Allzeithoch.
Schub sollte zusätzlich das jüngst angekündigte Aktienrückkaufprogramm im Volumen von sechs Milliarden Euro bis 2028 bringen sowie die erstmals für 2025 ausgeschüttete üppige Dividende. Deutsche Bank und Berenberg haben umgehend ihre Kursziele auf 135 bzw. 130 Euro angehoben. Jefferies bleibt bei 134 Euro. Alle drei Institute raten zum Kauf. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen wie Barclays, die sich fragen, ob bei dem ambitionierten Programm genügend Liquidität für Investitionen bleibt. Kursrücksetzer seien daher immer drin, meinen die Experten, wobei angesichts der Kursentwicklung oft Gewinnmitnahmen der Auslöser sein dürften.
Siemens Energy zählt auf jeden Fall zu jenen Werten, die sich wachstumsorientierte Anleger ins Depot legen könnten. In diesen Bereich fällt auch NextEra Energy. Hierzulande kaum bekannt und daher vielleicht ein Geheimtipp, zählt der US-Konzern global zu den Big Playern bei Wind- und Solarenergie. Er ist auch ein Dividendenaristokrat – seit mehr als 25 Jahren wird die Ausschüttung alljährlich erhöht. Die Aktie hat sich nach einem harten Rückfall im Mai ab Oktober wieder erfangen und liegt nun wieder etwas über dem Kursniveau von Jahresbeginn.
Viele Wachstumswerte
Viele Unternehmen im Bereich Erneuerbare fallen in die Kategorie Wachstumswerte. Allein die Liste jener Firmen, die im Jahresabstand ein Kursplus von mehr als 100 Prozent geschafft haben, umfasst neben Siemens Energy Bloom Energy, Nordex, Enlight Renewable, Solar Edge Technologies, Canadian Solar, SMA Solar, Ballard Power und FTC Solar. Ganz auf Windkraft fokussiert ist die deutsche Nordex, die Windkraftanlagen produziert, errichtet und wartet sowie ganze Windparks plant und baut. Kräftigen Rückenwind gab es in den vergangenen zwölf Monaten für die Aktie: Sie hat um 150 Prozent zugelegt.
Eine ebenfalls große Verbesserung weist das Papier von Solar Edge Technologies auf. Das im Hightech- und Startup-Paradies Israel beheimatete Unternehmen mit Standorten in Deutschland und Italien ist auf „smart Energy“ spezialisiert und entwickelt Fotovoltaikmodule, Wechselrichter, Leistungsoptimierer und Batteriespeicher und dazu passende Systeme. Gerade solch aufstrebende Firmen sind etwas für risikobereite Anleger.
Dazu zählt zweifelsohne vor allem Bloom Energy. Der Dienstleister ist mit einem Kursgewinn von 294 Prozent heuer der absolute Highflyer im Energiebereich. Das US-Startup hat einen auf Brennstoffzellen zur Stromerzeugung basierenden Server entwickelt und vermietet diesen. Die Bloom-Aktie ist bis Ende Oktober auf ein Hoch von 147 Dollar gestiegen. Auslöser war die Nachricht einer strategischen Partnerschaft von Bloom mit Brookfield für den Bau einer gemeinsamen Infrastruktur für KI-Fabriken. Bloom liefert die Brennstoffzellentechnologie für die Stromversorgung, Brookfield die Expertise bei Infrastrukturprojekten und der Finanzierung. Anfang November ist die Aktie dann deutlich abgetaucht, was auch Folge der Kapitalerhöhung war.
Sehr hohe Bewertung
Die Analysten bleiben vorerst optimistisch und empfehlen die Aktie zum Kauf oder Halten. Die Bank of America ließ jedoch jüngst mit einer Warnung aufhorchen: Die Analysten hoben zwar das Kursziel von 26 auf 39 Dollar an, halten aber an der „Underperform“-Einschätzung fest. Brisant: das neue Kursziel liegt um 60 Prozent unter dem aktuellen Kurs. Für die BofA ist vor allem die Diskrepanz zwischen der extrem hohen Bewertung und den Fundamentaldaten bei Bloom Energy alarmierend. Außerdem würden massive Verkäufe von Insidern ebenfalls darauf hindeuten, dass das Potenzial ausgereizt ist. Einen möglichen drastischen Kursabfall könnten mutige Anleger zum Einstieg nutzen – immer im Bewusstsein, dass die Volatilität hoch bleibt.
Einen langen Atem braucht man auch bei Ørsted. Der dänische Konzern ist zwar Weltmarktführer bei Offshore-Windparks, der Kursverfall von knapp 27 Prozent zeigt jedoch deutlich, wie groß die Abhängigkeit von der Politik ist. Die Dänen kamen ins Schussfeld von US-Präsident Donald Trump, der nicht gerade ein Freund von Windenergie ist. Der – inzwischen wieder aufgehobene – Stopp eines Windpark-Projekts in den USA setzte Ørsted kräftig unter Druck. Ein Aus wäre eine Katastrophe gewesen. Da kommt der Zuschlag für einen großen Windpark in Irland gerade zupass, damit seien Einnahmen auf 20 Jahre gesichert, verlautete aus dem Konzern. Mit einer Kapitalerhöhung im Volumen von 9,4 Milliarden Dollar hat sich Ørsted zusätzlich Liquidität verschafft. Die Analysten raten bei deutlich gesenkten Kurszielen dennoch zum Halten (zwölf) bzw. Kauf (sechs).
Mit ETFs investieren
Auch für Energieaktien bieten sich eine Fülle von ETFs und Fonds an. Der MSCI World Energy Index bildet alle Unternehmen der Energiebranche ab, allerdings auch Ölkonzerne. Für den Bereich Erneuerbare führt die Plattform Just ETF allein 20 ETFs an. Die besten fünf nach ihrer Jahresperformance (Stand Ende November) sind: Der Global XCleanTech UCITS ETF USD Accumulating, der WisdomTree Renewable Energy UCITS ETF USD Unhedged Acc, der First Trust Nasdaq Clean Edge Green Energy UCITS ETF ACC, der L&G Clean Energy UCITS ETF und der iShares Essential Metals Producers UCITS ETF USD (ACC).
von Hedi Schneid
Kurier





