„Günstiger-Strom-Gesetz“. Nur der Sozialstromtarif bringt eine garantierte Kostensenkung für finanziell Not leidende Haushalte. Alle anderen müssen erst den Strommarkt verstehen, um künftig Kosten sparen zu können.
Donnerstagnacht stimmten die Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und Neos gemeinsam mit den Grünen für das neue Stromwirtschaftsgesetz namens „Günstiger-Strom-Gesetz“. Die FPÖ stimmte nur dem Strom-Sozialtarif zu. Was kann das Gesetz leisten und verbessern – und was kann es nicht?
? Wird dieses Gesetz den Strom günstiger machen?
Garantiert billiger wird es nur für jene etwa 280.000 Haushalte, die derzeit schon von der ORF-Abgabe befreit sind, das ist also eine Sozialmaßnahme gegen Energiearmut. Schutzbedürftige Haushalte bekommen einen Energiepreis von sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh), der jährlich valorisiert wird, garantiert, das jährliche Verbrauchskontingent ist dabei bei maximal 2.900 kWh gedeckelt.
? Und wird für alle anderen der Strom günstiger?
Das kann der Fall sein, erfordert aber, tätig zu werden: Das „Günstiger-Strom-Gesetz“ zielt nämlich darauf ab, den Strompreis durch strukturelle Reformen langfristig zu senken: Es geht um Wettbewerb, um mehr Flexibilität und die Netzeffizienz.
? Wie kann der normale Stromkunde von mehr Wettbewerb profitieren?
Man muss aktiv werden: Das Gesetz stärkt das Recht auf freie Energielieferantenwahl und gewährleistet, dass der technische Vorgang des Wechsels ab 2026 binnen 24 Stunden abgeschlossen werden kann. Die Stromrechnung könnte also billiger werden, wenn man mit einem anderen Stromanbieter einen Vertrag abschließt. Derzeit, beklagt die Politik, wechselt kaum wer, vor allem aus Sorge, ob das neue Energieunternehmen auch wirklich immer Strom liefert. Entsprechende Portale, wo die Preise verglichen werden können, sind bei der e-control.at (Tarifkalkulator) oder privaten Anbietern.
? Und wie kann man günstigeren Strom durch „Flexibilität“ bekommen?
Große Lieferanten müssen Lieferverträge mit dynamischen Energiepreisen anbieten. Solche Verträge spiegeln die Preise der Börse-Spotmärkte wider. Wenn der Strombedarf hoch ist – und das ist er fast immer morgens ab 7 bis etwa 9 Uhr und von 17 bis 19 Uhr – wären dann die Preise hoch; zu Mittag, wenn sehr viel billiger PV-Strom im Netz ist, ist der Strompreis billig, wie auch in der Nacht. Man muss also ein gutes Verständnis haben, wie die Preise im Tagesverlauf sind. Programmierbare Geräte (Spülmaschine, Waschmaschine, Trockner) sind für so ein Modell also von Vorteil, Unkenntnis kann die Stromrechnung nach oben treiben.
? Was passiert bei Zahlungsschwierigkeiten des Stromkunden?
Haushaltskunden haben nun ein Recht auf Ratenzahlung für bis zu zwölf Monate (Härtefälle bis 18 Monate).
? Und wie ist das, wenn ich Strom selber erzeuge über eine PV-Anlage?
Vereinfacht gesagt, kann man seinem Nachbarn den Strom verkaufen. Es geht um den Begriff des „aktiven Kunden“: jene, die alleine oder mit einer Energiegemeinschaft selbst erzeugte Energie verbrauchen, speichern oder verkaufen. Die „gemeinsame Energienutzung“ ermöglicht es aktiven Kunden, erzeugten erneuerbaren Strom vertraglich oder über eine Energiegemeinschaft mit anderen zu teilen. Auch das kann die Stromrechnung senken.
? Aber ist das eigentliche Problem nicht der Anstieg der Netzkosten?
Ja, deshalb haben viele der genannten Maßnahmen mit einer Entlastung der Netze zu tun. Klar ist aber, dass im Zuge der Energiewende, also weg von den fossilen Energien hin zu nachhaltigen, der Stromverbrauch (und damit die Netzbelastung) in den kommenden Jahrzehnten massiv steigen wird: Mehr dezentrale Erzeuger (Windparks, PV-Parks) machen den Netzausbau notwendig, ebenso wie die Haushalte, die deutlich mehr Strom verbrauchen werden (E-Autos, Wärmepumpe).
? Und was wird die Strompreise mittelfristig billiger machen? Österreich hat ja vergleichsweise hohe Preise, was ein Riesenproblem für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist.
Da ist die eine Antwort: deutlich mehr Ökostromanlagen, also Wind und PV – das soll das nächste Energiegesetz machen, das Erneuerbaren Ausbau Beschleunigungsgesetz (EABG), das noch verhandelt wird. Aber auch ein besserer Anschluss an den europäischen Strommarkt – also Leitungen ins Ausland – soll Strompreise künftig drücken. Helfen wird auch die Kostenbremse bei den Netzentgelten: Mit jährlich 100 Millionen Euro aus Sonderdividenden sollen die Netzkosten um rund drei Prozent pro Jahr gesenkt werden.
? Was sagen die Betroffenen und die Experten zum neuen Gesetz?
Der ÖGB begrüßt die Einführung des Sozialtarifs, bemängelt aber, dass Menschen mit niedrigem Einkommen und Studenten weiterhin ausgeschlossen bleiben. Die Erneuerbaren-Lobbys wie der EEÖ und IG Windkraft beurteilen den neuen Versorgungsinfrastrukturbeitrag als planbarer im Vergleich zu den ursprünglich geplanten Entgelten. Der Hochspannungsnetzbetreiber APG und die WKO kritisieren fehlende Regeln für eine Finanzierung der notwendigen Netzausbauinvestitionen und fordern eine zeitnahe Gesetzesnovelle.
Kurier




