
Über 10.000 Boden- und Gewässerproben aus ganz Dänemark hat ein Forschungsteam auf die darin enthaltenen Mikroorganismen untersucht. Im Schnitt alle vier Quadratkilometer wurde gemessen. Die teils überraschenden, im Fachblatt „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen große Unterschiede zwischen landwirtschaftlichen und naturnahen Flächen. Für die beteiligten Wiener Forscher könnte man auf dieser Basis etwa erfolgreiche Renaturierung belegen – auch in Österreich.
Bereits im 18. Jahrhundert war der dänische König Frederik V. treibende Kraft hinter einem über mehr als 120 Jahre laufenden wissenschaftlichen Großprojekt – der „Flora Danica“, einer Art Gesamtaufnahme der Pflanzenwelt des Landes. Hier schloss man mit Unterstützung einer Stiftung 2019 mit dem Projekt „Microflora Danica“ (MFD) an – einem moderneren, aber nicht minder aufwendigen Unterfangen. Ziel war es, die Umweltmikrobiome, also die Kleinstlebewesen-Gemeinschaften Dänemarks möglichst engmaschig und vollständig zu kartieren. Analysiert wurden die insgesamt 10.683 Boden- und Gewässerproben mit modernen Methoden zur Aufschlüsselung des darin enthaltenen Erbguts.
Viele neue Erkenntnisse
Federführend mitbeteiligt war der an der Universität Wien und zu einem kleineren Teil an der Uni Aalborg tätige Mikrobiologe Michael Wagner. Vor allem die Analysen zu den Verwertern stickstoffhaltiger Düngemittel in den Böden, den Nitrifikanten, wurden in Wien durchgeführt, wie der Forscher im Gespräch mit der APA sagte: „Erstmals wurde systematisch versucht, ein ganzes Land zu beproben.“ Und: „Die Ergebnisse haben unser Bild der Bodenmikrobiologie grundlegend erweitert.“
Welche Mikroorganismen sich etwa wo tummeln, lässt sich nun auch geocodiert nachvollziehen. Grob geordnet wurden die Stellen, an denen die Proben genommen wurden, auch hinsichtlich ihrer Nutzung – also, ob es sich etwa um eine urbanere Gegend, eine Agrarfläche oder einen anderen, weniger vom Menschen beeinflussten Bodentyp handelt. Davon gibt es in Dänemark mittlerweile recht wenig. Landwirtschaft unter großem Einsatz von stickstoffhaltigen Düngemitteln wird auf rund zwei Drittel der Landesfläche betrieben. Vergleichbar ist diese intensive Landnutzung mit jener in tiefer liegenden Gebieten Österreichs.
Wie lässt sich Renaturierung abschätzen?
„Wie unterscheidet sich ungestörte von gestörter Natur?“, war eine der Leitfragen – auch angesichts relativ starker Bestrebungen in Dänemark, Flächen auch wieder zu renaturieren. Ein Thema, das bekanntlich auch hierzulande politisch teils höchst kontrovers diskutiert wird. Vielfach nicht klar ist, wie man erfolgreiche Renaturierung belegt, erklärte Wagner. Ein Ansatz wäre es, einen Vergleich mit der Mikroorganismen-Zusammensetzung in naturnahen, vergleichbaren Böden zu ziehen. Das Mikrobiom eines Bodens definiert nämlich ganz zentral, welche Funktionen dieser letztlich erfüllen kann – ob er etwa CO2 einlagert oder davon mehr absondert und welche höheren Lebewesen er beherbergen kann. Dementsprechend seien viele Beobachtungen und Schlüsse aus dem Projekt auch für Österreich abseits der alpinen Regionen interessant.
Eine zentrale Erkenntnis der Studie: Gestörte Lebensräume weisen insgesamt erstaunlicherweise eine hohe Mikroorganismen-Vielfalt auf. Die Arten-Zusammensetzung präsentiert sich allerdings in nahezu allen intensiv von Menschen genutzten Gegenden mehr oder weniger gleich. Wagner: „Es ist dort also immer dasselbe zu finden. Die Mikroben, die diese Störung eben gut wegstecken.“ In naturnahen Umfeldern finden sich dagegen ganz unterschiedliche Zusammensetzungen an Mikroorganismen. „Würden wir also das ganze Land ’stören‘, würden wir ganz viel Diversität verlieren“, betonte Wagner.
Wer macht wo was aus Stickstoff?
Klar sei, ohne stickstoffhaltige Düngemittel könnte rund die Hälfte der Menschheit nicht ernährt werden. Aufgrund der Aktivität von stickstoffverwertenden Mikroorganismen können über 85 Prozent von dem ausgebrachten Stickstoff aber von Böden, Nutzpflanzen und Nutztieren nicht so verwertet werden, dass sie tatsächlich im Verzehrer – dem Menschen – ankommen. Sie gelangen vielfach in Gewässer, wo sie zu einer Überdüngung und paradoxerweise in der Folge zur Bildung von Zonen führen, wo außer Mikroorganismen nichts mehr gedeiht – sogenannte „Todeszonen“. Die Stickstoffproblematik gilt daher als eine der großen „planetaren Krisen“: „Wir sind jenseits jeder Nachhaltigkeit in dem Bereich.“ Zudem wird bei der Stickstoffverwertung durch Mikroorganismen auch Lachgas – ein besonders starkes Treibhausgas – produziert.
Im Bereich der Nitrifikanten – einem Spezialgebiet von Wagners Forschungsgruppen – zeigte sich im Rahmen der Untersuchung erneut, wie wenig man über die Stickstoffverwerter bisher eigentlich weiß und wie wichtig es ist, diese besser verstehen zu lernen. In ihnen liege aber der Schlüssel zur Steigerung der Stickstoffaufnahme. So wird etwa versucht, ihre Abbau- und Umwandlungsaktivität durch Düngemittelzusätze zu hemmen. Was man hier aber genau mit welchem Ausgang tut, ist unklar, da verschiedene Nitrifikantengruppen unterschiedlich gut auf diese Hemmstoffe ansprechen und nicht klar ist, welche Organismen wo aktiv sind. Dazu kommt, dass viele Nitrifikanten, wie die in Europa sehr wichtigen TA-21- und die „Comammox-Nitrospira Clade B“-Nitrifikanten, bisher nicht im Labor in Reinkultur gezüchtet und näher untersucht werden können.
Austro-Microflora-Atlas wäre „nationaler Schatz“
In Dänemark hat das Wiener Team wahrscheinlich auch eine komplett neue Nitrifikanten-Gruppe gefunden. Das zeige: „Wir verstehen hier eigentlich erst die Oberfläche.“ Dementsprechend sei der besondere Datensatz aus Dänemark auch für weiterführende Forschung in Österreich und andere Länder interessant, betonte Wagner. So etwas auch für Österreich zu machen, wäre zwar aufwendig, aber „ein nationaler Schatz“, so der Leiter des hochdotierten FWF-Exzellenzclusters „Mikrobiome als Motor der planetaren Gesundheit“.
(S E R V I C E – https://doi.org/10.1038/s41586-025-09794-2 )
APA



