Das Millionen-„Strohfeuer“ für billige Energie

31. Dezember 2025, Wien

Strom. ÖVP, SPÖ und Neos hätten „eine Chance vertan“, die Energiewende auf solidere Beine zu stellen, sagt Florian Haslauer. Billiger werde Strom so nicht. Seine Idee, um Kosten zu senken ist simpel – dürfte aber nicht allen gefallen.

Vor genau einem Jahr war der Jammer groß: Der gleichzeitige Wegfall aller Strompreishilfen und der Anstieg der Netztarife haben die Energiekosten in Österreich abrupt in die Höhe katapultiert. Ein ganzes Jahr lang musste sich die Regierung mit dem Thema herumschlagen, auch deshalb sollte 2026 alles anders werden. Und damit es auch gelingt, fuhr die Koalition schwere Geschütze auf.


ÖVP, SPÖ und Neos verabschiedeten gemeinsam mit den Grünen das Strommarktgesetz (ElWG). Die Regierung zog zudem über 500 Millionen Euro aus diversen Staatsbeteiligungen ab, um die Energieabgaben zeitweilig zu senken und will nun sogar den europäischen Preisbildungsmechanismus, die sogenannte Merit Order, aushebeln.
Aber nicht alles, was auf den ersten Blick gut aussieht, bringt auch etwas. Und manches ist sogar kontraproduktiv, meint Energieexperte Florian Haslauer. Für eine echte Entlastung der Bürger brauche es ganz andere, weit radikalere Schritte.


Teurer ohne „Merit Order“
Haslauers Berliner Beratungsunternehmen e.venture hat durchgerechnet, wie sich die unterschiedlichen Maßnahmen auf die Energiekosten auswirken werden. Der mit Abstand größte Brocken ist dabei die Senkung der Elektrizitätsabgabe von 1,5 auf 0,1 Cent je Kilowattstunde. Das senkt den Haushaltsstrompreis um etwa fünf Prozent. Aber eben nur für ein Jahr. „Das Geld für eine dauerhafte Subventionierung ist ja nicht da. Das kann nur ein Strohfeuer sein“, sagt Haslauer. Wie die Preise dann unten gehalten werden sollen, ist ihm schleierhaft.
Die reinen Energiekosten sinken in der Prognose zwar leicht, weil immer mehr Erneuerbare in Europa das Preisniveau drücken. Doch genau davon könnte Österreich womöglich nicht mehr profitieren, wenn die Politik tatsächlich das Merit-Order-Prinzip sprengt. Das Prinzip besagt, dass stets das teuerste Kraftwerk, das zur sicheren Versorgung noch notwendig ist, den Preis für den Strom bestimmt.


Diese Signale sind wichtig, weil nur sie dafür sorgen, dass stets so viel Strom erzeugt wird, wie im Moment gebraucht wird. Und da Österreich im Winter weiter stark von Importen abhängig bleiben wird, würde ein Ausstieg aus der Merit Order (so das überhaupt möglich wäre) die Kosten nur weiter erhöhen. Statt den Markt zu bekämpfen, müsse die Politik ihn auch für die Energiewende nutzen, fordert Haslauer.
Bisher ist davon herzlich wenig zu sehen. So bekommen Besitzer von Photovoltaikanlagen konstant hohe Einspeisetarife, ganz egal, ob ihr Strom gerade gebraucht wird, oder ob er das System sogar belastet und einen rascheren Netzausbau notwendig macht. So erzeugt Österreich im Sommer (wenn Strom kaum etwas wert ist) Überschüsse und muss im Winter (wenn er am teuersten ist) Elektrizität importieren.
Das Strommarktgesetz wäre eine Chance gewesen, die Energiewende auf gesunde Beine zu stellen und diese Verwerfungen zu verkleinern. „Es gibt Schritte in die richtige Richtung, aber unterm Strich ist eine große Chance vertan worden“, zieht Haslauer Resümee.


Börsenpreise für Solaranlagen
Die Spitzenkappung bei Wind und Solar wirkt erst mit Verzögerung, weshalb sich die Netzkosten bis 2035 verdoppeln würden – aufgeteilt auf immer weniger Schultern. Denn von der Idee, auch die Prosumer stärker an den Netzkosten zu beteiligen, ist nichts übrig geblieben. Stattdessen habe die Regierung mit Erleichterungen für das Tauschen und Teilen von Strom den Kreis jener, die die Netze bezahlen, weiter verkleinert.


Der Berater warnt vor einer „Energiewende nach deutschem Vorbild“, wo erst die Erneuerbaren, dann das Stromnetz und jetzt auch die Gaskraftwerke allesamt vom Staat alimentiert werden müssten und das Land dennoch unter hohen Strompreisen leide. Seine Antwort? Die radikale Kostenwahrheit für alle im System.


Das bedeute die Umstellung auf lastabhängige Netztarife, ein Ende der Netzgebührenbefreiung für privilegierte Nutzer und die Einführung echter Marktpreise für alle Stromproduzenten. Auch kleinere Ökostromanlagen sollten ihre Elektrizität zu den stündlichen Börsenpreisen verkaufen müssen. „Dann erledigt sich das Thema Spitzenkappung und Überlastung der Netze von alleine“.

Von Matthias Auer

Die Presse