Für einen spürbar niedrigeren Strompreis müsse man jetzt „über das Unvorstellbare“ nachdenken, sagt Energie-Experte Tesch.
Ein Autobahnbetreiber bundesweit, aber 114 verschiedene Netzgesellschaften: Kritik an der undurchschaubaren Struktur für den Betrieb des Stromnetzes kommt von Christian Tesch, Geschäftsführer des Wirtschaftskammer-nahen Think-Tanks Oecolution. „So viele Netzbetreiber in einem streng regulierten Monopol sind doch sonderbar“, sagt Tesch. Es brauche den „Druck der Politik und des Regulators“, denn derzeit fehlten „die Anreize für Netzbetreiber, effizienter zu sein.“ Ein Ansatzpunkt: Der Regulator gestehe den Netzbetreibern eine hohe Rendite von 9,5 Prozent zu: „Das würde ich mir auch wünschen“, sagt Tesch. Die Netzkosten könnten günstiger und der Netzausbau schneller werden, „wenn wir weniger Netzbetreiber haben“, ist er überzeugt. Tesch vermutet, dass der politische Druck deshalb so gering sei, weil die Landesenergieversorger als Eigentümer von höheren Dividenden dank der Gewinne der Netzbetreiber profitieren.
Auch am Strommarktselbst gebe es in Österreich „nicht wirklich Konkurrenz“. Die Folge: „Der Strompreis in Österreich ist zu teuer.“ Landesenergieversorger dominierten ihre jeweiligen Regionalmärkte mit bis zu 90 Prozent Marktanteil und sind häufig untereinander verschränkt. „So wird keine echte Konkurrenz entstehen, die das Geschäft belebt und zu günstigeren Preisen führt“, sagt Tesch. „Wir brauchen daher mehr Marktwirtschaft.“ Tesch plädiert für einen „echten Markt statt Abschöpfung von Übergewinnen und höhere Dividenden und Steuern.“ Ein Auflösen der Kreuzbeteiligungen zwischen den Energieversorgern würde das Ziel massiv unterstützen: „Ja, man sollte auch über Unvorstellbares nachdenken.“ Er verortet das Potenzial allein durch mehr Konkurrenz bei fünf bis acht Prozent günstigeren Strompreisen. „Das ist locker eine Milliarde Euro.“
Im Jahr 2001 wurden der Strom- und der Telekommarkt gleichzeitig liberalisiert, doch die Preisentwicklung in den vergangenen knapp 25 Jahren verlief völlig unterschiedlich. Ein Grund: „Der Strommarkt wird von Anbietern mit monopolistischer Vergangenheit dominiert.“ Dass in Italien pro Jahr fast jeder Fünfte den Stromanbieter wechselt und in Österreich nur jeder 20., liege auch daran, dass die Stromverkäufer für ihr Angebot in Italien viel Werbung machen würden, anders als in Österreich. „In Österreich ist Strom schon jetzt billiger zu haben. Aber 95 Prozent der Privatkonsumenten zahlen freiwillig mehr.”
Der hohe Strompreis belaste die Unternehmen weiterhin, warnt Tesch. Österreich müsse daher die Ende 2026 auslaufende Strompreiskompensation – 75 Millionen Euro pro Jahr – bis 2030 verlängern, das sei EU-rechtlich möglich. „Das betrifft besonders die energieintensiven Betriebe.“ Auch brauche Österreich einen Industriestrompreis wie in Deutschland, wo ein Tarif von 5 Cent je kWh geplant ist. „Ich bin nicht naiv und sage, das rechnet sich von selbst“, sagt Tesch. Aber „wenn man es nicht macht, wird es auch Kosten geben – der Preis sind hochwertige Industrie-Arbeitsplätze.“
Von Uwe Sommersguter
Kleine Zeitung




