Durchwegs kritisch fielen am Mittwoch die Reaktionen auf die von der Regierung im Ministerrat beschlossene Strompreisbremse aus. Die SPÖ fand zwar inhaltlich nichts zu kritisieren, aber sie komme zu spät. FPÖ und NEOS waren rundum unzufrieden. Viele – SPÖ, AK, NGOs, Hilfsorganisationen – forderten die Gegenfinanzierung durch eine Übergewinnsteuer sowie eine Entlastung auch bei den Heizkosten. Caritas und Umweltorganisationen fehlt die soziale Treffsicherheit.
„Gut, dass was kommt, aber warum so spät?“, sagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried schon am Vormittag in einer Pressekonferenz. Die SPÖ habe seit Monaten eine Strompreisbremse gefordert, jetzt sei es „natürlich viel zu spät“, zumal der Preisdeckel „wenn es gut geht, ab Dezember oder ab Jänner“ wirken werde. In Summe tut die Regierung aus Leichtfrieds Sicht in der Energiekrise allgemein zu wenig zur Entlastung der Haushalte, der Unternehmen sowie der Energieversorger.
Gar nicht zufrieden war FPÖ-Chef Herbert Kickl: Die Strompreisbremse sei „nur eine halbherzige Symptombehandlung, kommt um ein Jahr zu spät, ist die wohl komplizierteste Lösung, die gefunden werden konnte und wird der Dramatik der Preisentwicklung nicht einmal ansatzweise gerecht“, kritisierte er. Er hält einerseits die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis sowie ein Ende des Merit-Order-Prinzip für nötig – und forderte einmal mehr ein Ende der Russland-Sanktionen.
Ebenso vernichtend fiel das Urteil der NEOS aus: Das Modell sei „teuer, ungerecht und nicht treffsicher und es leistet leider null Beitrag zum Energiesparen und damit zur Versorgungssicherheit Österreichs“, meinte Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Einkommensstarke und kleine Haushalte würden bevorzugt: „Der Topmanager, der selten daheim ist, bekommt weit mehr als eine mittelständische Familie mit zwei, drei Kindern.“
Für Rainer Wimmer, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB (FSG), ist die Strompreisbremse ein erster wichtiger Schritt. Aber jetzt müsste diesem eine Preisbremsen auf andere Energieträger wie Gas, Pellets oder Heizöl folgen. Er kritisierte die Benachteiligung von Mehrpersonenhaushalte, die extra Anträge stellen müssten.
Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl pochte – wie Wimmer auch – auf eine Übergewinnsteuer. Die Strompreisbremse wäre „nur dann sozial gerecht, wenn die Gegenfinanzierung durch jene Energieunternehmen erfolgt, die derzeit aufgrund der hohen Energiepreise enorme Profite erzielen. Denn diese Übergewinne werden auf dem Rücken der Haushalte und Unternehmen finanziert, die derzeit astronomisch hohe Energiepreise zahlen müssen.“ Zudem verlangte Anderl, die Sonder-Unterstützung allen rund 780.000 Haushalte mit geringerem Einkommen zu geben und nicht nur die GIS-befreiten 300.000.
Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hält eine Abgabe auf die Übergewinne von Energiekonzernen für „überfällig“, wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz erklärte. Unzufrieden ist er auch mit der angekündigten Strompreisbremse, denn die Gewerkschaft habe einen Strompreisdeckel gefordert – und nur der helfe, wenn die Preise weiter anziehen. Außerdem fehle der Deckel für den Wärmebereich. Die Gewerkschaft werde daher, nicht zuletzt mit ihren bundesweiten Kundgebungen am Samstag, dem 17. September, den Druck auf die Regierung aufrecht erhalten.
Letzteres hält auch die Caritas für einen großen Mangel: Das vorgelegte Modell sei für armutsgefährdete und armutsbetroffene Menschen nur bedingt hilfreich. Besser als das vage skizzierte Antragssystem für zusätzliche Hilfen bei Mehrpersonenhaushalten wäre eine automatisierte soziale Staffelung auf Basis valider Daten. „Wer gezielt hilft, kann länger helfen“, verwies Präsident Michael Landau darauf, dass sich eine längerfristige Teuerungswelle abzeichne. Dringend nötig sei zudem die Anhebung der Wohn- und Heizkostenzuschüsse.
„Grundsätzlich zu begrüßen“ ist der Regierungsbeschluss für die Volkshilfe. Präsident Erich Fenninger lobte sowohl die antragslose, unbürokratische Umsetzung als auch dass Sparanreize gesetzt würden. Eine Schwäche sei allerdings, dass die Haushaltsgröße nicht berücksichtigt werde – und auch verlangte sowohl eine Übergewinnsteuer als auch eine Heizkosten-Entlastung.
Umweltschutzorganisationen und NGOs vermissen Energiespar-Anreize. Greenpeace kritisierte, dass „das Geld mit der Gießkanne verteilt“ werde und damit bei vielen Haushalten der Anreiz zum Stromsparen verloren gehe. Nötig wäre eine Verpflichtung zum Energiesparen für Haushalte und die Industrie.
Ohne Verknüpfung mit Haushaltsgrößen fehle die soziale Treffsicherheit – und ohne progressive Tarife fehle der dringend nötige Anreiz, verschwenderischen Luxusverbrauch zu reduzieren, konstatierte die NGO Attac, die zudem strenge Auflagen für die Energieversorger vermisst.
„Wenn wir mit der Gießkanne den Geldregen sehr breit streuen, dann sollte uns bewusst sein, dass diese Gießkanne über Steuermittel von uns allen befüllt wird. Eine sehr breite Förderung zahlen wir uns letztendlich also selber“, merkte GLOBAL 2000 an – das grundsätzlich aber eine Unterstützung für die Energiekosten, vor allem für arme Haushalte, positiv sieht.
Die Wirtschaftskammer begrüßte die Strompreisbremse für die Haushalte als weiteren Schritt, um Kaufkraft zu erhalten. Aber für die WKÖ-Spitze war der Ministerratsbeschluss zudem Anlass, auf entlastende Maßnahmen für die Betriebe zu drängen – auch beim EU-Gipfel am Freitag.
Und auch ein drittes Entlastungspaket wurde verlangt – nämlich für Non-Profit Organsiationen. Caritas-Präsident Landau verwies darauf, dass diese viele von ihnen einen wichtigen Beitrag in der Krisenbewältigung leisten würden, beispielsweise durch Lebensmittelausgaben. Das „Bündnis für Gemeinnützigkeit“ – ein Netzwerk von über 3.000 NPOs – argumentierte, dass diese ohnehin oft mit sehr knappen finanziellen Mitteln arbeiten und daher stark unter der Energiekostenexplosion leiden.
APA