Die Briten sichern ihre Bohrinseln

12. Oktober 2022, London

Im Gegensatz zu Österreich und anderen europäischen Ländern ist Großbritannien nur indirekt von russischen Gaslieferungen abhängig. Weniger als vier Prozent der Gasversorgung entfielen 2021 auf Importe aus Russland. Rund die Hälfte des Bedarfs kann das Land aus eigenen Quellen decken. Die rasant steigenden Preise auf dem globalen Energiemarkt führen jedoch auch in Großbritannien zu einer höheren Nachfrage nach alternativen Energien. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf auf der Insel hoch ist, weil vornehmlich Gas zum Heizen und zum Kochen genutzt wird.

Als Reaktion darauf veröffentlichte die konservative Regierung im April eine aktualisierte Sicherheitsstrategie. Demnach will man russische Öl- und Kohleimporte bis Ende 2022 und Gasimporte „so schnell wie möglich“ einstellen, hieß es damals. Außerdem sollen einheimische und kohlenstoffarme Energien innerhalb der nächsten 20 Jahre ausgebaut werden.

Bis 2030 könnten 95 Prozent der Elektrizität aus Sonne, Wind, Wasser und Atom stammen, ließ der damalige Premierminister Boris Johnson im Frühjahr ankündigen. Das Kernelement sind acht neue Atomreaktoren bis 2030. Bis 2050 soll sich die Produktion durch Atomenergie auf 24 Gigawatt mehr als verdreifachen und bis zu 25 Prozent des erwarteten Strombedarfs abdecken. Während sich Johnson gegen das sogenannte Fracking ausgesprochen hatte, schlug die neue Premierministerin Liz Truss im September einen anderen Kurs ein. Die Politikerin, die staatlichen Interventionen skeptisch gegenübersteht, hob das Moratorium auf, zu dem sich die Konservative Partei im Jahr 2019 bekannt hatte. Beim Fracking, das Gefahren für die Umwelt birgt, wird Gas oder Öl mithilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten extrahiert. Truss verteidigte die Entscheidung. „Fracking ist ein Teil des Energiemix, wir sollten alle Optionen prüfen“, sagte sie Mitte September am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Mit dieser Maßnahme will die britische Regierung zudem sicherstellen, dass das Land bis 2040 mehr Energie exportiert, als es importiert.

Nachdem an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee Lecks gefunden wurden, ergriffen Behörden vorsorgliche Maßnahmen, um britische Bohrinseln in der Nordsee zu sichern. Gemeinsam mit den Energieunternehmen überprüfen sie, ob weitere Sicherheitsvorkehrungen nötig sind. Sollte die Situation eskalieren, könnten der Inlandsgeheimdienst MI5, die Royal Navy und die Royal Air Force hinzugezogen werden, um die Industrie zu unterstützen, hieß es vonseiten der Behörden. Mark Wilson, der Sicherheitsdirektor des Handelsverbands Offshore Energy UK (OEUK), bezeichnete die Maßnahmen als „vorsorglich“ und als „verhältnismäßige, pragmatische Reaktion“.

Salzburger Nachrichten