EU-Länder vor Gipfel uneins über Mittel gegen Energiekrise

19. Oktober 2022, Brüssel
Die Gaskrise krempelt Europas Energiepolitik um - Stuttgart, APA/dpa

Zwei Tage vor dem EU-Gipfel zu Maßnahmen gegen explodierende Energiepreise zeichnet sich keine gemeinsame Linie aller 27 Mitgliedsstaaten ab. Bei den Vorbereitungen des Spitzentreffens sprachen sich am Dienstag Vertreter von Kroatien und Litauen für eine Preisobergrenze für alle Gasarten aus, während Slowenien dies nur für Flüssiggas wünschte.

Deutschland bekräftigte, eine Deckelung der Preise abzulehnen und empfahl stattdessen gemeinsame Gaseinkäufe aller EU-Länder. Finnland und die Slowakei lehnten direkte Subventionen der Verbraucher ab. Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich am Dienstag klar gegen einen Preisdeckel für russisches Gas ausgesprochen.

„Ich bin froh, dass die Europäische Kommission jetzt unserer Forderung nachkommt und konkrete Schritt für den gemeinsamen Gaseinkauf vorlegt“, so Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) Dienstagnachmittag in einer Stellungnahme. „Wir wissen, wie viel Gas wir brauchen, um unsere Speicher im nächsten Frühjahr wieder zu füllen, das gilt es jetzt vorzubereiten. Dazu ist es wichtig, dass die Kommission jetzt auch konkrete Gespräche mit möglichen Lieferländern führt“, meinte die Ministerin mit Blick auf die USA, Norwegen und Katar. Sie erwarte sich auch, dass die Arbeiten zu einer grundlegenden Reform des Strommarktes zügig weitergehen. „Denn die bestehenden Mechanismen reichen alleine nicht aus, um diese Krise zu bewältigen.“

Die Arbeiterkammer (AK) fordert seit Monaten Eingriffe in den Energiemarkt, um den explodierenden Energiepreisen und der hohen Inflationsrate entgegenzuwirken. Die AK empfiehlt das „iberische Modell“, wonach der Gaspreis für die Stromerzeugung in Gaskraftwerken staatlich festgelegt wird – die Differenz zum tatsächlichen Gas-Einkaufspreis werde dem Gaskraftwerk ersetzt. „Dieser temporäre Markteingriff ist relativ einfach umzusetzen, wirkt aber nachhaltig“, so AK-Präsidentin Renate Anderl. Weiters reduziere eine Halbierung des Strompreises die Inflationsrate um ein Viertel. Angesichts der negativen Auswirkungen der Energiekrise auf alle Lebensbereiche, müsse endlich das positive gesamtwirtschaftliche Potenzial der Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis genutzt werden. Gleichzeitig müssten aber auch Maßnahmen getroffen werden, um Gas einzusparen. Die AK begrüße eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten, eine gemeinsame Einkaufsplattform zu gründen. Ein EU-weiter Einkauf von Erdgas würde helfen, den Gaspreis zu senken.

Am Montagabend war ein Entwurf der EU-Kommission bekanntgeworden. Demnach soll die Möglichkeit für zeitlich begrenzte Höchstpreise an dem in Europa maßgeblichen Handelsplatz für Gas „Title Transfer Facility“ (TTF) in den Niederlanden geschaffen werden. Die Preisbildung am TTF gilt als Referenz für alle europäischen Handelsplätze. Zu den von der EU-Kommission geplanten Maßnahmen zählt auch ein Mechanismus, durch den alle Mitgliedsstaaten gemeinsam Gas einkaufen können.

Die am Dienstag veröffentlichten Vorschläge der EU-Kommission sehen vor, dass Haushalte und Unternehmen in der EU mit weiteren knapp 40 Milliarden Euro aus dem Haushalt der Union entlastet werden. Die Behörde schlägt vor, das für die regionale Entwicklung eingeplante Geld wegen der Energiekrise umzuwidmen.

Teil des Pakets sind Regeln für den gemeinsamen Einkauf von Gas vom Frühling an, um durch die Marktmacht die Preise für den Rohstoff zu drücken. Die EU-Staaten hatten sich eigentlich schon im März auf gemeinsame Einkäufe geeinigt, kamen damit aber nicht voran. Der Vorschlag sieht nun vor, dass Unternehmen ihre Gasnachfrage zum Teil über eine zentrale Stelle bündeln müssen. Das soll für mindestens 15 Prozent der vorgeschriebenen Speicherfüllstände Pflicht sein. Die Firmen können sich dann zusammentun, um gemeinsam mit Lieferanten zu verhandeln. Über diesen Vorschlag müssen nun die EU-Staaten verhandeln.

Im Kampf gegen die Energiepreise arbeitet die Kommission zudem an einem neuen Preisindex für Flüssiggas (LNG), als Ergänzung zum Gaspreisindex des Großhandelsplatzes TTF. Viele Kaufverträge in der EU orientieren sich am TTF, der wegen der unterbrochenen Gaslieferungen aus Russland stark schwankt. Für LNG-Lieferungen, die relativ stabil sind, soll es daher einen anderen Richtwert geben. Zusätzlich sollen tägliche Preisspitzen bei kurzfristigen Geschäften mit Gas an Energiebörsen abgefedert werden.

Weiter keinen konkreten Vorschlag legte die EU-Kommission zum von vielen Staaten geforderten Gas-Preisdeckel vor. Sie stellte lediglich in Aussicht, dass im Fall extremer Preise als letztes Mittel ein beweglicher Preisdeckel am TTF vorgeschlagen werden könnte.

Gegen einen Preisdeckel auf Russen-Gas spricht sich unter anderem Österreich aus. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bekräftigte am Dienstag die ablehnende Haltung „Wir sind gegen eine generelle Obergrenze eines Gaspreises bei Importen aus Russland. Warum? Weil es um unsere Versorgungssicherheit geht“, so die Ministerin vor dem EU-Ministerrat in Luxemburg.

Die Staats- und Regierungschefs wollen am 20. und 21. Oktober die Lösung der Energiekrise erörtern. Die meisten EU-Länder haben die EU-Kommission aufgefordert, eine Obergrenze für den Gaspreis vorzuschlagen, sind sich aber über die Ausgestaltung uneinig. Die Energiepreise sind infolge der russischen Invasion in der Ukraine und der daraufhin vom Westen beschlossenen Sanktionen gegen Russland stark gestiegen.

APA/ag