Wie Spanien mit einem Gasdeckel den Strompreis bremst

19. Oktober 2022

Ein Teil der Kosten für den Preisdeckel wird zwar auf die Haushalte abgewälzt. Am Ende bleibt aber eine Entlastung.
Ralph Schulze Madrid. „Wir waren Pioniere in Europa“, sagt Spaniens sozialdemokratischer Premier Pedro Sánchez. Mit der Preisdeckelung für Erdgas, das für die Stromerzeugung benutzt wird, seien die Rechnungen der Verbraucher um 15 Prozent gesunken. Seit Einführung der Maßnahme Mitte Juni hätten die Haushalte immerhin im Durchschnitt 17 Euro pro Monat sparen können.

Sánchez sieht das Modell, das auch vom Nachbarn Portugal übernommen wurde, als einen Weg für die gesamte EU, um die immer höheren Stromkosten von Familien und Betrieben zu verringern. Brüssel hatte Spanien und Portugal, die einen gemeinsamen Strommarkt unterhalten, grünes Licht für die „iberische Ausnahme“ zu erteilen – nicht zuletzt weil die beiden Länder ein energiepolitisches Inseldasein führen und kaum an das EU-Netz angeschlossen sind.

Madrid und Lissabon haben den Großmarktpreis für Gas, das von den Kraftwerksbetreibern zur Stromerzeugung benutzt wird, per Gesetz mit durchschnittlich 48,8 Euro pro Megawattstunde (MWh) gedeckelt. Das liegt deutlich unter dem Marktpreis, der vorübergehend sogar 300 Euro pro MWh erreichte. Die Kosten des zur Stromerzeugung benutzten Gases haben entscheidenden Einfluss auf den Strompreis. Denn nach den Marktregeln der Strombörsen richtet sich der Preis für Strom nach der jeweils teuersten benutzten Energiequelle – und das ist derzeit das Erdgas. So wird auch der Strom aus deutlich billigeren Energiequellen wie Sonnen- oder Windenergie, Atom- oder Wasserkraft teuer.

Auf eine Änderung dieser derzeit wenig verbraucherfreundlichen Marktregel drängen nicht nur Spanien und Portugal schon lange. Die Deckelung freut naturgemäß die Verbraucher, die Geld sparen. Aber der Mechanismus ärgert die Stromproduzenten, deren Einnahmen zunächst etwas kleiner werden. Allerdings nur vorübergehend. Denn die Gaskraftwerksbetreiber werden für die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem gedeckelten Gaspreis entschädigt.

Finanziert wird das über zwei Wege: Mit den Einnahmen, die Spanien und Portugal durch grenzüberschreitenden Stromhandel vor allem nach Frankreich beziehen. Dort verkaufen sie den billigen, subventionierten Strom wesentlich teurer. Und durch eine neue „Deckelabgabe“, die bei den Verbrauchern auf den Stromrechnungen erscheint. Dass ein Teil der Deckelungskosten auf die Verbraucher abgewälzt wird, nutzt die konservative Opposition, um der Mitte-links-Regierung in Madrid Etikettenschwindel vorzuwerfen. Die viel gepriesene „iberische Ausnahme“ sei in Wirklichkeit ein „iberischer Betrug“, sagen die spanischen Konservativen.

Trotzdem urteilen unabhängige Experten, dass sich das staatliche Gaspreislimit positiv auf die Stromrechnung auswirkt. „Die Maßnahme funktioniert“, erklärt Spaniens Verbraucherschutzorganisation OCU. Unter dem Strich: Das „iberische Modell“ ist keine Revolution, bringt aber immerhin eine Entlastung für die Stromkunden.

Salzburger Nachrichten