Im Dezember lag der russische Anteil bei schätzungsweise 71 Prozent, Gazprom liefert wieder mehr.
Österreichs Abhängigkeit von russischem Erdgas ist Ende 2022 wieder deutlich gestiegen. Wie aus dem Energie-Dashboard des zuständigen Klimaministeriums hervorgeht, kamen im Dezember schätzungsweise 71 Prozent der Gasimporte aus Russland. Von Mai bis Oktober 2022 war die Abhängigkeit schrittweise von 72 auf 17 Prozent gesunken und danach im November auf 38 Prozent gestiegen. Vor dem Ukraine-Krieg war Österreich zu rund 80 Prozent von russischem Gas abhängig.
Die Daten stammen vom Verband Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber (ENTSO-G) und der österreichischen Energie-Regulierungsbehörde E-Control. Allerdings sind die angegebenen Anteile mit etwas Vorsicht zu genießen. Die E-Control schätzt diese, indem sie Daten von den Gasübergabepunkten an den Grenzen mit Zahlen, welche die E-Control aus dem Marktmonitoring erhält, kombiniert. Da die Teilnehmer am Gasmarkt beim Monitoring aber nicht verpflichtet sind, die genaue Herkunftsquelle des Gases anzugeben, kann es zu Ungenauigkeiten und auch nachträglichen Änderungen kommen.
Der Grund für den Anstieg im November und Dezember sind geringere Importe aus Deutschland und Italien bei gleichzeitig relativ konstanten Gasflüssen aus Russland. Die Gazprom hatte der OMV die Gasliefermengen über den Sommer stark gedrosselt, zuletzt aber wieder mehr geliefert.
OMV-Chef Alfred Stern sagte kürzlich, dass die Gazprom inzwischen wieder 100 Prozent der bestellten Mengen nach Österreich liefere. Im Sommer waren es teilweise nur 30 Prozent oder noch weniger. Nach Deutschland liefert die Gazprom gar kein Gas mehr. Stern erklärte auch, dass die OMV dank gebuchter Pipeline-Kapazitäten die gesamten Kundenverpflichtungen mit nicht-russischem Gas beliefern könne.
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) rief die Menschen in Österreich erst diese Woche nochmals zum Energiesparen auf: „Je mehr Gas wir sparen, desto voller bleiben die Speicher für den nächsten Winter.“ Am Dienstag waren Österreichs Gasspeicher noch zu 74,9 Prozent gefüllt. Für Anfang Februar ist das nach den Wintermonaten Dezember und Jänner ein sehr hoher Wert.
Abhängigkeit steigt gegen Trend in Europa
Die pinke Bildungsakademie, das Neos Lab, beobachtet die Gasimporte aus Russland seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 ebenfalls genau. Österreichs Abhängigkeit ist demnach gegen den Trend in Europa gestiegen. Insgesamt habe Europa noch nie so wenig russisches Gas bezogen wie in den vergangenen Wochen. Österreich werde immer mehr zu einem Sonderfall innerhalb der EU, so Neos-Lab-Direktor Lukas Sustala. Ein Grund dafür sei, dass die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Österreich stagniere. Ein anderer sei, dass Österreich seinen Gasverbrauch weniger stark gesenkt habe als die meisten anderen EU-Länder.
Wobei diese beiden Gründe zusammenhängen. Österreich habe 2022 auch deshalb mehr Strom aus Gas produzieren müssen, weil die Erneuerbaren-Stromproduktion stagnierte. Sustala verweist auf Daten von Ember, wonach Österreich zu den wenigen EU-Ländern gehört, die 2022 weniger Strom aus erneuerbaren Energien erzeugten als noch 2017. Das liegt vor allem an der Wasserkraft, die im Vorjahr unter der Dürre litt.
Die Neos haben anhand von Außenhandelsstatistiken auch berechnet, wie viel Geld Österreich für Gas nach Russland überwiesen hat. Von Jänner bis November 2022 waren es demnach 6,7 Milliarden Euro. Das ist – trotz niedriger Mengen – mehr als das Dreifache als in den Jahren vor dem Krieg. „Mit jeder Milliarde für russisches Erdgas stützt Österreich die russische Kriegswirtschaft und verschärft zudem das Problem von Kaufkraftverlusten für die österreichische Wirtschaft“, so Sustala. Die Neos kritisieren, dass die Hilfsmaßnahmen der Regierung zu wenig treffsicher seien und damit notwendige Einsparungen konterkarieren und die Inflation anheizen.
Wiener Zeitung