Deutsche Wirtschaft hat fehlende Gasmengen gut verkraftet

9. Mai 2023, Berlin

Die deutsche Wirtschaft hat das Ausbleiben russischer Gaslieferungen einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge nicht nur wegen des milden Winters gut verkraftet. „Marktwirtschaften haben eine enorme Anpassungsfähigkeit, die massiv unterschätzt wurde“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick am Dienstag.

Einer gemeinsamen Untersuchung von Forschern der Universitäten Bonn und Köln, der London School of Economics und der Denkfabrik Bruegel zufolge hätte die deutsche Industrie auch einem Lieferstopp bereits ab April 2022 standhalten können.

Die Forscher hatten im Frühjahr 2022 anhand eines makroökonomischen Modells berechnet, welche wirtschaftlichen Folgen ein Stopp russischer Energieimporte hätte. Sie prognostizierten dadurch einen Verlust an Wirtschaftsleistung von bis zu drei Prozent verglichen mit einem Szenario fortgesetzter russischer Lieferungen. Durch die tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und die ausgebliebene Rezession sieht das Team um Schularick sich nun in dieser Prognose bestätigt.

Die Industrie habe sich der Energiekrise angepasst und Gas eingespart: Während energieintensive Sektoren wie Chemie und Glas die Produktion zurückfuhren, waren andere Sektoren nach offiziellen statistischen Daten kaum betroffen, erklärten sie. Neben der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen heben die Forscher die erfolgreiche Beschaffung von Gas aus anderen Ländern auch über Flüssigerdgaslieferungen (LNG) hervor.

Die Forscher lehnen auch die Darstellung ab, dass vor allem der glückliche Umstand eines milden Winters Schlimmeres verhindert habe: „Die durchschnittliche Wintertemperatur war im Winter 2022/23 mit 2,9 Grad Celsius laut Deutschem Wetterdienst sogar leicht kälter als die Durchschnittstemperatur in den vier vorherigen Wintern.“ Vielmehr hätten sich weitere Probleme ergeben wie der Ausfall vieler französischer Atomkraftwerke und der Brand in der größten US-LNG-Anlage.

„Dass ‚Glück‘ Deutschland durch den Winter gebracht hat, wurde in der öffentlichen Debatte erheblich überbewertet“, erklärte Schularick. „Dieses Ergebnis sollte die im letzten Jahr ausgelöste Debatte über die Auswirkungen eines Importstopps russischer Energie endgültig beenden.“ Russland hatte die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 im Zuge des Angriffs auf die Ukraine ab Frühjahr 2022 schrittweise reduziert und Ende August gänzlich eingestellt.

APA/ag

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