Ohne Ertüchtigung der Übertragungs- und Verteilnetze hilft der beste Erneuerbaren-Ausbau nichts. Die Verbund-Tochter APG investiert Milliarden, will im Gegenzug aber bessere Konditionen – auch in der Finanzierung des Netzausbaus.
Wie gut die Erschließung erneuerbarer Energiequellen auch laufen mag, ein Problem wird durch Windkraft und Photovoltaik nicht gelöst, sondern verschärft: die Engpässe in Leitungs- und Übertragungsnetzen. Denn es fehlt schon jetzt an Anschlusskapazitäten für erneuerbare Energien, und es müssen nahezu täglich Notfallmaßnahmen ergriffen werden, um Überlastung im Stromnetz zu verhindern.
Je mehr Strom aus erneuerbaren Anlagen produziert wird, desto größer wird dieses Problem. Heuer belief sich der Aufwand für Redispatch, also das Engpassmanagement, bis September bereits auf 125 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es im gesamten Jahr 94 Millionen Euro, rechnete der Chef der Netzgesellschaft der Verbund AG, der Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner, am Dienstag vor. Tendenz steigend. Im Gesamtjahr sei mit Kosten von 150 Millionen Euro zu rechnen.
Der APG-Chef hält wohl die ambitionierten Ziele gemäß dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz für „nicht unerreichbar“, das Nadelöhr seien aber die Leitungen, über die der grüne Windkraft- und Sonnenstrom – je nach Bedarf und Erzeugungskapazität – von Ost nach West und der Wasserkraftstrom von West nach Ost fließen kann. Weil die Ertüchtigung der Übertragungs- und Verteilnetze dem Kraftwerksausbau hinterherhinke, bekämen neue Kraftwerksanlagen derzeit nur einen bedingten Netzzugang. „Die Reserven sind ausgereizt“, warnt der APG-Chef.
Auch fehle es an Transformationskooperationen, insbesondere bei Speichern, Reserven und der Digitalisierung der Netze. Diese sei aber notwendig, um die Volatilitäten sowohl in der Produktion als auch auf der Seite der Stromabnehmer ausgleichen zu können. „Die Energiewende wird im Netz entschieden.“ Ohne Versorgungssicherheit nütze die beste Energiewende nichts, denn der Stromverbrauch werde sich bis 2040 nahezu verdoppeln. Bis 2030 soll der gesamte Stromverbrauch des Landes von rund 80 Terawattstunden aus erneuerbaren Energien stammen. Das bedeutet: Milliardeninvestitionen.
Wiewohl die APG bis 2034 neun Milliarden Euro in den Netzausbau stecken will, fehlt es an Grundlegendem in Österreich, allen voran an einem Gesamtplan für alle gebietskörperschaftlichen Ebenen mit Umspannwerken, Trafos und natürlich verstärkten Leitungen. Die 1204 Kilometer an 380-kV-Leitungen sollen über 490 Kilometer verstärkt beziehungsweise neu gebaut werden, und die 220-kV-Leitungen (1549 Kilometer) über 386 Kilometer. Dieser Ausbau brauche Korridore möglichst ohne Hindernisse.
Hier gab es zuletzt einen Rückschlag. Die Anspeisung im Zentralraum Oberösterreich – es geht um die Versorgung des geplanten Elektrolichtbogenofens der Voestalpine in Linz – steht still, das Bundesverwaltungsgericht verfügte aus naturschutzrechtlichen Gründen einen Stopp. Auch an Verbindungen zwischen den Verteilnetzen der Versorger mangle es. Dies sei derzeit nicht oder nur eingeschränkt möglich, es fehle am Austausch von Netzdaten, von Speichern ganz zu schweigen. Derzeit können Verteilernetze nicht zusammengeschaltet werden, was für den Abtransport des Stroms aus dem Netz aber unabdingbar ist, wenn kein Verbraucher da ist. Da sei das Übertragungsnetz der APG unverzichtbar.
Problematisch sind aus Sicht der Versorger auch die langen Genehmigungsverfahren. Zudem fehle es an Mut bei der Widmung von Freiflächen für Photovoltaik und Wind.
Außerdem wünscht sich die APG eine Lockerung der Regulierung. Zwar schreibt der Wasserkraftriese Verbund Milliardengewinne, aber Renditen gebe es nur für Erneuerbare, nicht aber für das Netz. „Wir haben keine Windfallprofits“, beklagt APG-Chef Christiner.
Der Standard