Die türkis-grüne Koalition hat sich auf eine Finanzspritze für den Ausbau der West-Austria-Gasleitung (WAG) im Mühlviertel geeinigt. „Wer die Kosten trägt, ist geklärt. Jetzt geht es tatsächlich um die Umsetzung“, kündigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im APA-Interview an. Bezüglich der Details befindet sich das Projekt demnach auf den letzten Metern.
Der Ausbau der 40 Kilometer langen WAG-Pipeline, die durch Oberösterreich geht, soll die Unabhängigkeit Europas von russischem Gas fördern. Die Pipeline führt zwar bereits sowohl von Ost nach West als auch von West nach Ost, allerdings ist die Kapazität in letzterem Fall deutlich geringer. Der Ausbau soll eine 30-prozentige Steigerung der Importkapazität zwischen Deutschland und Österreich bringen, kostet aber gut 200 Millionen Euro und ist bisher an der Finanzierungsfrage gescheitert.
Man habe innerhalb der Regierung „sehr intensiv verhandelt“, sagte Nehammer, und nun sei die Frage, wer die Kosten trägt, geklärt. Die Gasversorgung sei ein prioritäres Thema, weshalb seitens des Finanzministeriums „aus dem Budget heraus Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit das Projekt gestartet werden kann“, stellte der Kanzler in Aussicht. Die Republik wird einen Anteil der Kosten übernehmen, die konkrete Höhe nannte Nehammer auf Nachfrage noch nicht. Derzeit sei man in der Finalisierung, der Planungsprozess sei allerdings bereits abgeschlossen.
„Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es Krisen geben kann, denen zu begegnen ist“, erklärte Nehammer, etwa wenn kein russisches Gas mehr kommt. Man habe dafür zwar jetzt schon Vorsorge getroffen, „um aber tatsächlich abgesichert zu sein, brauchen wir eine zusätzliche Pipeline“, die Österreich in die Lage versetze, zusätzliches Flüssiggas oder norwegisches Gas hierher zu bekommen, und in Zukunft dann auch Wasserstoff, wie Nehammer hervorhob. Zur Frage, wann das Projekt realisiert wird, verwies Nehammer darauf, dass der Bau einer Pipeline im Schnitt ein bis zwei Jahre dauere.
Gefragt nach einem Ausstieg aus Gaslieferungen aus Russland erinnerte Nehammer daran, dass die Verträge von der OMV abgeschlossen worden seien. Um die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen, habe man etwa eine strategische Reserve angelegt. Der Ausstieg aus Verträgen müsse bewertet werden, denn es stelle sich die Frage, „wie viel das auch dann tatsächlich kostet“, betonte Nehammer. Es gebe ja bis jetzt kein Embargo auf russisches Gas, also gehe es bei einseitigen Änderungen der Verträge und neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen um Schadensersatzpflicht, „und das kann mit hohen Kosten verbunden sein“. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sei damit beauftragt, „alle Kosten zu prüfen, zu evaluieren und dann tatsächlich den Energieausstieg aus russischem Gas vorzubereiten“.
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sprach angesichts des Pipeline-Ausbaus von einer „guten Nachricht“ für Oberösterreich und Österreich. Bis die Versorgung ausschließlich über erneuerbare Energieträger erfolgen könne, werde man Gas benötigen, in Zukunft werde man über die neue Leitung aber auch Wasserstoff transportieren können.
SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll meinte am Freitag in einer Aussendung, die Regierung sei bei Gasversorgungssicherheit zwei Jahre säumig gewesen. Die Regierung habe damit den für die Unabhängigkeit von russischem Gas notwendigen Ausbau von 40 km Pipeline unnötig verzögert. Heute hat ÖVP-Kanzler Nehammer laut APA erklärt, der Bund werde mitzahlen. Weiters sei Nehammer Details zur Höhe der Bundesfinanzierung und ob der Ausbau jetzt unmittelbar losgeht schuldig geblieben. „Die SPÖ steht für eine von Russland unabhängige Gasversorgung und befürwortet den unverzüglichen Ausbau“, betonte Schroll.
NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer forderte allerdings mehr Tempo ein. „Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung jetzt in die Gänge kommt und ihr unwürdiges Schauspiel endlich ein Ende findet“, allerdings sei es „völlig inakzeptabel“, dass die Fertigstellung der Leitung bis 2027 dauern könnte. Harsche Kritik übte sie an Nehammers Zurückhaltung beim Ausstieg aus russischem Gas: „Sich jetzt darauf auszureden, dass es bisher kein Embargo für russisches Gas gebe und man erst die Kosten prüfen müsse, ist hochgradig verantwortungslos. Die Bundesregierung könnte, wie von uns beantragt, den Ausstieg jederzeit gesetzlich beschließen.“
Der Fernleitungsnetzbetreiber Gas Connect Austria begrüßte die Entscheidung der Förderung des Projekts durch den Bund. „Wir freuen uns, dass die Bundesregierung die Notwendigkeit des Projekts für die Versorgungssicherheit sieht“, so Stefan Wagenhofer und Harald Stindl, beide Geschäftsführer Gas Connect Austria, laut Aussendung. Als „nächste wesentliche Meilensteine“ werden eine „Anpassung des Tarifsystems an die aktuellen Marktgegebenheiten gemeinsam mit der E-Control, Klärung der gesamten Finanzierung des Projekts und die beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission in Brüssel“ genannt.
Auch für IV-Generalsekretär Christoph Neumayer ist die heutige Ankündigung zur Finanzierung des Ausbaus des WAG-Loops „eine gute Nachricht für die Energieversorgungssicherheit“. Die heimischen Industriebetriebe würden bereits daran arbeiten, das Gas zu reduzieren, „uns muss im Rahmen der Diskussion jedoch auch klar sein, dass Erdgas bis dahin nach wie vor eine tragende Rolle im produzierenden Sektor spielen wird, bis Maßnahmen, wie ein verstärkter Ausbau erneuerbarer Energien oder der Import von klimaneutralem Wasserstoff eine deutliche Reduktion von Erdgas erlauben“.
APA