Schluss mit grünen Märchenstunden

12. März 2024

Erneuerbare Gase. „Misthaufen“ bewahren uns nicht vor dem Import von Kreml-Gas. Der Gesetzesentwurf braucht Nachbesserung.

Nach langem und zähem Ringen erblickte endlich der Entwurf zum Erneuerbares-Gas-Gesetz in einem Ministerratsvortrag das Licht der Welt. Gerade weil grüne Gase eine zentrale Rolle zur Erreichung der Klimaziele spielen können, verdient das gesetzliche Vorhaben besondere Aufmerksamkeit – und eine nüchterne Analyse mit Blick auf seine erwartbaren Effekte für unsere Unabhängigkeit von russischem Gas, für die notwendige Dämpfung der Preise und für Effizienz bei der CO2-Einsparung.

Unabhängigkeit: Das Erneuerbares-Gas-Gesetz wurde unter dem Motto „Kraftwerk beim Misthaufen statt Gaswerk beim Kreml“ präsentiert. Das klingt gut, ist aber ein grünes Märchen. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: 2023 ist die inländische Jahresproduktion von Gas um zehn Prozent auf rund 6,3 TWh gesunken. Insgesamt wurden 76 TWh Gas 2023 in Österreich verbraucht. 2023 wurden rund 140 GWh Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist. Damit wären 0,14 TWh Gas aus den viel zitierten Misthaufen gewonnen – ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bis 2030 sollen 7,5 TWh aus erneuerbarem österreichischem Gas kommen – das wäre die 55-fache Menge von heute. Damit decken wir bestenfalls zehn Prozent des bis dahin prognostizierten Verbrauchs ab.

Gas-Unabhängigkeit von Russland erfordert vor allem, dass Gaslieferungen aus anderen Ländern nach Österreich technisch sicher möglich sind. Für eine regelmäßige Nutzung der deutschen oder italienischen Routen sind Erweiterungen und Umrüstungen der vorhandenen Leitungen erforderlich.

Preisdämpfung: Der Gesetzesvorschlag enthält eine Art Beimischungszwang. Konkret müssen die Energieversorger bis 2030 sicherstellen, dass sie ihre Kunden mit mindestens 9,75 Prozent an grünem Gas versorgen. Kann der Energieanbieter die Beimischungsmenge nicht erfüllen, dann muss er eine Ausgleichzahlung in der Höhe von 15 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bezahlen.Da aktuell nur 14 österreichische Biogasanlagen ihr grünes Gas in das Gasnetz einspeisen und zum Nachweis der Quotenerfüllung laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf ausschließlich in Österreich produziertes, erneuerbares Gas herangezogen werden kann, werden die Energieversorger wohl von Beginn an mit Strafzahlungen konfrontiert sein. Bis zum Jahr 2030 ist nach Kalkulation des Fachverbandes Gas Wärme mit Mehrkosten von in Summe 3,6 Milliarden Euro zu rechnen.Kosten, die wohl an die Haushalts- und Gewerbekunden weitergegeben werden – und die Energiepreise und folglich auch die Inflation weiter in die Höhe treiben.

Effiziente CO2-Einsparung: Die vorgesehene CO2-Reduktion 2024 bis 2030 beträgt 4,2 Mio. Tonnen. Das Klimaministerium selbst rechnet in seiner Folgekostenabschätzung im Entwurf mit Mehrkosten für Gasverbraucher zwischen 2024 und 2030 von 1,25 bis 1,83 Mrd. Euro. Dieses Szenario rechnet sehr wahrscheinliche Strafzahlungen gar nicht ein.

Allein in diesem Szenario liegen die Kosten der CO2-Vermeidung bei 298 bis 436 Euro je Tonne. Berechnet man die Ausgleichzahlungen mit ein, dann kostet die vermiedene Tonne CO2 sogar 875 Euro. Ob das effizient ist, darüber muss man angesichts eines CO2-Preises nach EU ETS von aktuell 57 Euro je Tonne nicht lang nachdenken.
Das Thema der grünen Gase ist zu wichtig für grüne Märchenstunden. „Misthaufen“ bewahren uns definitiv nicht vor dem Import von Kreml-Gas. Was dringend ansteht, ist eine realistische und vernünftige Nachbesserung des Gesetzesentwurfs. Es gibt viel zu tun, um die Potenziale grüner Gase für mehr Unabhängigkeit, wirksame Preisdämpfung und Klimaschutz-Effizienz richtig zu nutzen.

Elisabeth Zehetner ist seit 2022 Geschäftsführerin des Thinktanks Oecolution Austria. E-Mails an: debatte@diepresse.com

von Elisabeth Zehetner

Die Presse