Deutschland deckt 58 Prozent des Strombedarfs alternativ

8. Juli 2024, Berlin
58 Prozent des Strombedarfs mit Wind- und Sonnenenergie gedeckt
 - Sechtem, APA/dpa

Deutschland hat im ersten Halbjahr 58 Prozent seines Strombedarfs vor allem mit Wind- und Sonnenenergie gedeckt. Bis 2030 sollen es 80 Prozent sein. Doch wo kommt der restliche Strom her, wenn es dunkel ist und der Wind nicht weht? Die AKW sind vom Netz und die klimaschädlichen Kohlekraftwerke sollen es möglichst bis 2030 sein. Die Koalition hat daher das Kraftwerks-Sicherheitsgesetz entworfen, früher Kraftwerks-Strategie genannt. Im Folgenden ein Überblick.

WARUM IST DAS GESETZ NÖTIG?

Deutschland könnte theoretisch auch nach 2030 auf Erdgas-Kraftwerke setzen, die die schwankende Einspeisung von Wind und Solar ausgleichen. Das hat drei Probleme: Erstens produzieren auch Erdgas-Kraftwerke Klimagase, wenn auch weniger als Kohle. Zweitens gibt es nicht genug dieser Gas-Kraftwerke, wenn die Kohle vom Netz genommen wird. Drittens rechnen sich neue Anlagen für die Betreiber nicht, weil sie immer seltener Strom produzieren werden, je stärker die klimaneutralen Erneuerbaren wachsen.

WELCHE KRAFTWERKE SOLLEN DENN GEBAUT WERDEN?

Die Regierung setzt in erster Linie auf Wasserstoff-Anlagen. Dieser Brennstoff soll mit Hilfe von Wind- oder Solar erzeugt werden (Grüner Wasserstoff). Es kann aber dafür auch Erdgas genutzt werden, wenn das CO2 aufgefangen und unterirdisch gespeichert wird (Blauer Wasserstoff). Möglich sind aber auch Kraftwerke auf Basis etwa von Biomasse.

WER WÜRDE IN SOLCHE KRAFTWERKE INVESTIEREN?

Im existierenden Strommarkt vermutlich niemand. Daher werden laut Gesetz die Anlagen ausgeschrieben. Das bedeutet, wer die geringsten Subventionen verlangt, erhält den Zuschlag zum Bau. Die Hilfen gibt es in einer ersten Phase sowohl für Investitionen als auch für den Betrieb, denn Wasserstoff wird knapp und teuer sein. Subventioniert werden dabei 800 sogenannte Volllaststunden pro Jahr, in denen die Anlage läuft. Hilfen müssen immer von der EU-Kommission gebilligt werden. Daher hat der Prozess auch lange gedauert, dazu kamen Diskussionen in den Ampel-Parteien.

WIE VIELE KRAFTWERKE WERDEN GEBRAUCHT?

Insgesamt geht es um 12,5 Gigawatt Leistung. Zum Vergleich: Ein großes Erdgas-Kraftwerk hat derzeit etwa 0,5 Gigawatt Leistung, es könnten also um die 25 Anlagen werden. In der ersten Phase sollen fünf Gigawatt Erdgas-Kraftwerke ausgeschrieben werden, die aber später auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Dies muss spätestens acht Jahre nach Inbetriebnahme der Fall sein.

Dazu kommen zwei Gigawatt für bestehende Gaskraftwerke, die für den Einsatz von Wasserstoff modernisiert werden sollen. Außerdem sind 0,5 Gigawatt für Anlagen vorgesehen, die sofort mit Wasserstoff betrieben werden. Zusätzlich ist geplant, Speicher für 0,5 Gigawatt auszuschreiben. Dies könnte ebenfalls Wasserstoff oder auch Pumpspeicher-Kraftwerke (Talsperren) sein.

In einer zweiten Phase sind weitere fünf Gigawatt Gas-Kraftwerke vorgesehen. Hier gibt es keine Brennstoffvorgaben, sie müssen aber 2045 klimaneutral sein. Die Förderung bezieht sich hier auch nur auf die Investitionen, nicht auf den Brennstoff. Vermutlich läuft es auch auf Wasserstoff-Kraftwerke hinaus.

WO WIRD GEBAUT?

Ein großer Teil vermutlich an bestehenden Kraftwerksstandorten. Alle Anlagen müssen entlang des geplanten Wasserstoff-Kernleitungsnetzes stehen. Ein Schwerpunkt wird Süddeutschland sein, wo besonders viele Kraftwerke fehlen.

WIE ENTWICKELT SICH DANN DER STROMMARKT?

Ab 2028 soll der jetzige Strommarkt, bei dem die Kilowattstunden vergütet werden, in einen Kapazitätsmarkt umgewandelt werden. Das heißt: Dabei wird nicht nur nach Kilowattstunden abgerechnet, sondern auch eine bereitgestellte Leistung vergütet, selbst wenn sie nicht gebraucht wird. Damit soll der Markt zusätzlich gegen Blackouts gesichert werden.

WAS KOSTET DAS?

Die deutsche Regierung rechnet über die Laufzeit der Förderung mit 15 bis 20 Milliarden Euro. Teilweise muss das über den Haushalt bezahlt werden, der zweite Teil der Ausschreibungen wird letztlich über eine Umlage von den Verbrauchern gezahlt werden müssen.

WIE IST DER ZEITPLAN?

Erste Ausschreibungen sind für Ende des Jahres vorgesehen, spätestens Anfang 2025. Die Zeit drängt, da sonst Anlagen fehlen werden. Ab 2026 beginnen die Ausschreibungen für die zweite Phase.

APA/Reuters