OMV-Verträge mit Russland werden geprüft

11. Juli 2024

Eine Untersuchungskommission unter Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss und Zivilrechtsprofessor Andreas Kletečka darf die geheimen Verträge einsehen und soll prüfen, ob ein Ausstieg möglich ist.

Alle waren sie da an diesem schicksalhaften Dienstag im Juni 2018. Wladimir Putin, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, OMV-Chef Rainer Seele und Gazprom-Chef Alexej Miller. Aus geschäftlicher Sicht gab es für die Herren bei dem Treffen einiges zu feiern: Der Gasliefervertrag zwischen der OMV und Gazprom, der 2028 auslaufen sollte, wurde bis 2040 verlängert und die Geschäftsbeziehung der beiden Länder dauerhaft festgeschrieben.

Mehr als fünf Jahre später ist der Vertrag weiterhin aufrecht – trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die OMV weist wiederholt darauf hin, dass ein frühzeitiger Ausstieg nicht möglich sei. Doch was in der Vereinbarung genau geregelt wurde, ist bis heute nicht öffentlich bekannt. Licht ins Dunkel soll nun eine von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) eingerichtete „Gas-Unabhängigkeitskommission“ bringen. Diese soll auf Grundlage einer EU-Verordnung in den geheimen Vertrag Einsicht nehmen können und sowohl einen möglichen Ausstieg als auch die genauen Umstände seines Zustandekommens im Jahr 2018 prüfen.

Den Vorsitz der Kommission sollen zwei prominente österreichische Juristen führen: die ehemalige OGH-Präsidentin und Neos-Politikerin Irmgard Griss und der Zivilrechtsprofessor Andreas Kletečka. Griss hat durchaus Kommissionserfahrung. Sie leitete etwa die Hypo-Kommission und die Kindeswohlkommission, die Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen prüfen sollte. Kletečka, der an der Universität Salzburg lehrt, war an der Untersuchung der Eurofighter-Verträge beteiligt.

Mitglieder der Kommission sind zudem unter anderem Walter Boltz, der ehemalige Vorstand der E-Control, und Gabriel Felbermayr, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Das Gremium soll in die Verträge „physisch“ Einsicht nehmen können; die Inhalte unterliegen allerdings „strengster Vertraulichkeit“, erklärte Gewessler am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Zusammenarbeit mit OMV

Möglich sei die Einsicht dank der „konstruktiven Zusammenarbeit“ mit der OMV. Ob man das Unternehmen auf Basis der EU-Verordnung auch zur Offenlegung der Verträge zwingen hätte können, wollte Gewessler auf Nachfrage von Journalistinnen und Journalisten nicht eindeutig beantworten.

Aus Sicht der Kommissionsvorsitzenden Griss sei die Abhängigkeit von Russland aus mehreren Gründen bedenklich. Es sei ein Faktum, dass Österreich den russischen Krieg in der Ukraine mitfinanziere. Der Vertrag der OMV mit Gazprom sei zwar der Vertrag eines privaten Unternehmens. Die Vereinbarung habe jedoch Auswirkungen auf die „sicherheitspolitische Lage“ und die „Lebensbedingungen“ in Österreich, erklärte die Juristin.

Den Vorwurf, dass sie sich für politische Zwecke einspannen lasse, ließ Griss nicht gelten. Die Kommission werde sich überlegen, „wie man aus den Verpflichtungen aussteigen kann“ und wie man in Zukunft mit Verträgen umgehe, die zwar ein privates Unternehmen abschließt, die aber immense Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage eines ganzen Landes haben. Kletečka sieht das ähnlich. „Das Zivilrecht regelt hier plötzlich außenpolitische Aspekte. Dafür ist das Zivilrecht nicht da.“

Österreich importiert nach wie vor den mit Abstand größten Teil seines Gases aus Russland. Im März 2024 lag der Wert bei 93 Prozent der Importe, im April bei 81 Prozent und laut den aktuellsten Zahlen im Mai bei 90 Prozent. Auch in absoluten Zahlen importierte Österreich von März bis Mai jeweils so viel Gas aus Russland wie seit Juni 2022 nicht mehr. Als Gründe dafür führt das Klimaschutzministerium den langfristigen Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom an. Zweitens spielt laut dem Ministerium die deutsche Gasumlage eine Rolle, die Gasimporte über alternative Routen erschwert. Gashändler, die Gas über Deutschland importieren, müssen rund zwei Euro pro Megawattstunde mehr bezahlen.

Trotz des hohen Anteils russischen Gases ist die heimische Versorgung gut abgesichert. Anfang Juli lag der Speicherstand bei knapp 84 Terawattstunden (TWh). Zum Vergleich: Jährlich verbraucht Österreich rund 95 TWh. OMV betont zudem, dass sie „aufgrund ihrer umfangreichen Diversifizierungsbemühungen der letzten Jahre“ jedenfalls in der Lage sei, „ihre Vertragskunden mit Gas aus alternativen, nichtrussischen Quellen zu versorgen“.

Gesetz für Ausstieg?

Gewessler hat im Februar eine Diversifizierungspflicht bei Gasimporten vorgeschlagen. Laut Gesetzesentwurf, der Anfang des Jahres an Koalitionspartner ÖVP übermittelt wurde, soll der Anteil russischen Gases schrittweise sinken und im Gaswirtschaftsjahr 2027/28 null Prozent erreichen. Für den Beschluss braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Derzeit sieht es nicht danach aus, als könnte das Gesetz noch vor der Nationalratswahl im September beschlossen werden.

Die „Gas-Unabhängigkeitskommission“ soll den Abschlussbericht Ende des Jahres vorlegen, erste Ergebnisse könnten schon im Herbst präsentiert werden. Gewessler hätte wohl nichts dagegen, wenn das vor der Wahl passiert.

Der Standard