Klimasünder Klimagerät

16. Juli 2024

In vielen Wohnungen wird es derzeit jeden Tag heißer. Abkühlung versprechen sich immer mehr Menschen von einem Klimagerät. Das kann teuer kommen und schadet der Umwelt. Aber was soll man tun, wenn es im Schlafzimmer 30 Grad hat?

Die Erlösung kommt per Knopfdruck. Sobald Lukas dieser Tage nach Hause kommt, schnappt er sich die Fernbedienung der Klimaanlage und drückt auf Start. Innerhalb von Minuten weht ihm in seiner Dachgeschoßwohnung eine kühle Brise um die Ohren. „Ohne Klimagerät würde es hier oben nicht gehen“, sagt er.

Lukas ist nicht allein: In Österreich nimmt die Zahl der Klimaanlagen laufend zu. Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2022 rund 315.000 Klimageräte in Privathaushalten. Zum Vergleich: Im Jahr 2004 waren es nur 40.000, 2018 180.000.
Lukas hat ein Splitgerät. Das bedeutet, es gibt eine Innen- und eine Außeneinheit, die von einem Profi eingebaut wurde. Mehrere Tausend Euro kostet das. Dafür sind die Geräte energieeffizienter als mobile Klimageräte mit einem Schlauch, der zum Abtransport der warmen Luft durch einen Fensterspalt nach draußen hängt. Der Nachteil: So strömt erst recht wieder warme Luft in den Raum, die erneut gekühlt werden muss. Der Vorteil: Mobile Klimageräte sind sehr günstig, es gibt sie um ein paar Hundert Euro im Baumarkt oder beim Diskonter.

Höhere Stromkosten

Auch Julius hat heuer zugeschlagen. Er ist in eine neue Wohnung im dritten Stock mit südwestseitigen Fenstern gezogen. „Die Vormieter haben gleich gesagt: Fahrt im Sommer auf Urlaub“, mehr als 30 Grad hätten sie regelmäßig in der Wohnung gemessen. Julius hat sich ein mobiles Klimagerät bestellt, das nun leise brummt, während er im Homeoffice sitzt. Im Baumarkt hat Julius sich eine Plastikscheibe zuschneiden lassen, mit der er das Fenster rund um die Öffnung, die der Schlauch braucht, besser abdichtet. So kommt weniger warme Luft in die Wohnung.

Die Stromrechnung hat Julius noch nicht bekommen. Wer sich für eine Klimaanlage entscheidet, muss sich aber auf eine höhere Abrechnung gefasst machen. Bei der Wiener Umweltberatung geht man davon aus, dass ein mobiles Klimagerät nach einem Sommer mit rund 170 Euro zu Buche schlagen wird, ein Splitgerät mit rund 90 Euro. Mobile Geräte brauchen pro Sommer zwischen 140 und 250 Kilowattstunden Strom. Gute Splitgeräte nicht einmal 100.
Doch die Kosten sind nicht das einzige Problem. „Der zusätzliche Stromverbrauch ist nicht unerheblich“, sagt Ewald Gärber von der Wiener Umweltberatung. Mitunter stammt der Strom fürs Klimagerät noch aus fossiler Energie, auch wenn der Anteil aus nachhaltigen Quellen stetig wächst.

Das Stromnetz ist jedenfalls darauf ausgelegt, das zu stemmen, heißt es von der Österreichischen Energieagentur (AEA). Vor allem, da die Hauptlast tagsüber und im Sommer auftritt, wenn auch aus den Photovoltaikanlagen die größten Erträge ins Stromnetz eingespeist werden.

Aber nicht nur der Stromverbrauch ist ein Problem. Zusätzlich brauchen Klimaanlagen klimaschädliche Kältemittel, um zu funktionieren. Obwohl diese grundsätzlich in einem geschlossenen Kreislauf eingesetzt werden, kommt es immer wieder zu Lecks und laut AEA im Laufe der Zeit auch zu Verflüchtigungen. Wie hoch dieser Anteil ist, wird aktuell intensiv diskutiert. Zudem müssen diese potenten Treibhausgase später fachgerecht entsorgt werden.
Laut Umweltbundesamt liegen die CO2-Emissionen privater Klimaanlagen bei 30.000 bis 35.000 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Das ist in etwa so viel, wie der gesamte Flugverkehr in Österreich an schädlichen Emissionen verursacht.

Rollläden runter

Es zahlt sich also aus, sich die Alternativen anzuschauen. Außenliegender Sonnenschutz wird beispielsweise in Wien aktuell auch für Mieterinnen und Mieter gefördert. Er verhindert, dass sich die Fenster aufheizen, und macht einige Grad Unterschied. Aber bereits innenliegende Rollläden und geschlossene Vorhänge sind jedenfalls deutlich besser als nichts, sagt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien. Auch ein energiesparender Ventilator, der die Luft in Bewegung setzt, könne helfen. Ein Klimagerät sollte erst ins Spiel kommen, wenn man all diese Maßnahmen durchgespielt hat – und auch nur dann, wenn man in besonders hitzeanfälligen Häusern lebe, an Vorerkrankungen leide oder schon älter sei: „Ja, es ist heiß. Aber wenn man jung ist und gesund, braucht man deswegen nicht sofort und unbedingt ein Klimagerät“, sagt Hutter. Und wenn, sollte es eine überlegte Anschaffung sein.

Noch dazu, weil viele die gekühlte Luft erst recht wieder als unangenehm empfinden. Das könnte daran liegen, dass die meisten Geräte die Luft auch entfeuchten. Ist dieser Effekt zu stark, kann das zu trockenen Schleimhäuten und Hautreizungen führen, weiß Peter Skala von der Plattform Meineraumluft.at. Vor allem Zugluft könne außerdem Erkältungen begünstigen und zu Verspannungen führen.

Die Wiener Mieterin Marlene ist aktuell „brennheiß“ auf ihren Vermieter – nicht nur, weil es bei ihr daheim seit Tagen 30 Grad hat. Das Splitgerät, von dem sie sich Abkühlung verspricht, steht bei ihr seit einem Jahr in der Wohnung bereit. Es müsste nur noch installiert werden. Doch ihr Vermieter muss sämtliche Miteigentümer um Erlaubnis bitten, damit das Klimagerät eingebaut werden darf. Und er lässt sich damit ihrer Ansicht nach zu viel Zeit.

Der Einbau eines Splitgeräts ist nämlich auch wohnrechtlich nicht einfach. Der Vermieter beziehungsweise sämtliche Miteigentümer müssen dem Vorhaben zustimmen, weil bei Splitgeräten das Außenteil an der Fassade angebracht wird. An dieser Zustimmung scheitert es aber oft – etwa weil die Nachbarschaft laut brummende Geräte befürchtet.
Für Ewald Gärber von der Umweltberatung ist auch die Abwärme der Geräte in Städten ein wachsendes Problem. Denn wer ein Klimagerät hat, heizt die Umgebungstemperatur für alle anderen weiter auf.

Kühlen mit Wasser

Wer nicht schwitzen will, hat die besten Karten bei Neubauten, wo man sich durch gute Planung die Anschaffung einer Klimaanlage ersparen kann. So haben etwa bestimmte Wärmepumpen eine Kühlfunktion; wie bei einer Fußbodenheizung kann kaltes Wasser durch Wände, Böden und Decken geschickt werden, das die Räume um einige Grad herunterkühlt.

Auch gute Dämmung, kleinere Fensterflächen, Grundrisse, die Querlüften ermöglichen, und bauliche Verschattung sind Strategien, um Gebäude im Sommer möglichst kühl zu halten.

Davon kann Benedikt nur träumen. Er schaffte sich für seine 30-Quadratmeter-Wohnung vor einigen Jahren ein billiges, mobiles Klimagerät an. Mittlerweile steht es ungenutzt im Keller, obwohl es in der Wohnung aktuell 29 Grad hat: „Das Gerät ist kaum zu putzen, und ich will nicht wissen, was sich darin alles angesammelt hat.“ Dann doch lieber schwitzen.
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