EU-Rechnungshof: EU-Ziel für Wasserstoff „zu ehrgeizig“

17. Juli 2024, EU-weit/Brüssel
Es drohen "Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und neue strategische Abhängigkeiten"
 - Wien, APA

Die für 2030 von der EU-Kommission angepeilten Ziele für die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff seien „zu ehrgeizig“: Laut einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Europäischen Rechnungshofs (ERH) drohen ein „Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten“. Die Prüfer fordern, die EU-Ziele einem Realitätscheck zu unterziehen. Auch von Österreich werden Anstrengungen gefordert.

Erneuerbarer Wasserstoff kann der EU helfen, ihr für 2050 gesetztes Klimaziel der CO₂-Neutralität zu erreichen und die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen (u.a. aus Russland) weiter zu verringern. „Grüner“ Wasserstoff kann in Industriezweigen zur CO₂-Neutralität beitragen, wo eine Umstellung auf elektrischen Betrieb schwierig ist, etwa bei der Stahlerzeugung, in der petrochemischen Industrie oder bei der Zement- und Düngemittelproduktion.

„Die EU sollte über den strategischen Weg zur CO₂-Neutralität entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen“, so Stef Blok, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, in einer Aussendung. Die „ehrgeizigen Ziele für Erzeugung und Import von erneuerbarem Wasserstoff, jeweils 10 Millionen Tonnen bis 2030“, hätten nicht auf einer „soliden Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet“ worden.

Die meisten EU-Rechtsakte sind laut Bericht zu rasch vorgelegt worden. Der Aufbau einer EU-Wasserstoffindustrie erfordere massive öffentliche und private Investitionen, aber die Kommission habe keinen vollständigen Überblick über den Bedarf oder die verfügbaren Mittel. Gleichzeitig seien die EU-Fördermittel – die von den Prüfern für den Zeitraum 2021-2027 auf 18,8 Mrd. Euro geschätzt werden – über mehrere Programme verstreut, was den Unternehmen die Beantragung erschwere.

18 Mitgliedstaaten verfügen laut ERH-Bericht über Wasserstoffstrategien. Darunter ist auch Österreich. Österreichische Unternehmen sind – im Rahmen des Corona-Aufbaufonds – auch an zwei „wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ im Bereich Wasserstoff beteiligt: Diese umfassen 41 bzw. 35 Projekte aus zahlreichen Mitgliedstaaten und Beihilfen von insgesamt über 10 Mrd. Euro. Wie für die EU-Ebene gilt laut Bericht aber auch für Österreich: Erhebliche Anstrengungen seien erforderlich, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Erneuerbarer Wasserstoff könne dabei eine wichtige Rolle dabei spielen. „Die Umsetzung der Empfehlungen des ERH kann dabei helfen, einen Schritt weiter auf diesem ambitionierten Weg zu kommen“, betonte das österreichische Mitglied des EU-Rechnungshofes, Helga Berger.

Die Prüfer fordern die Kommission auf, ihre Wasserstoffstrategie zu aktualisieren und dabei drei zentrale Fragen zu berücksichtigen: Wie können präzise Marktanreize für die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem und CO₂-armem Wasserstoff geschaffen werden? Welche Schwerpunkte soll es für die EU-Mittel geben? Und welche Industriezweige sollen in der EU gehalten werden und zu welchem Preis?

APA