Energie. Die Normalisierung der Großhandelspreise für Strom sorgt trotz starker Produktionsleistung für einen Gewinneinbruch beim Verbund. Ist der Höhenflug des Unternehmens vorbei?
In den ersten sechs Monaten des Jahres hat Österreich so viel Strom aus Wasserkraft erzeugt wie nie zuvor. Die Wasserführung in den heimischen Flüssen lag fast ein Fünftel über dem Niveau des Vorjahres und zwölf Prozent über dem langjährigen Schnitt, berichtet der Stromversorger Verbund. Beim teilstaatlichen Unternehmen hat die Rekordproduktion aus Wasserkraft (plus 14,9 Prozent) allerdings nicht gereicht, um auch an die Rekordgewinne der vergangenen beiden Jahre anzuschließen.
Grund dafür ist der Preisverfall an den europäischen Strombörsen. Konnte der Verbund 2023 die Megawattstunde noch um 182 Euro verkaufen, so lag der Preis in den ersten sechs Monaten 2024 nur noch bei 113Euro je Megawattstunde. Unter dem Strich führte diese langsame Normalisierung der Preise nach der Energiekrise für einen Rückgang der Umsätze um 41,8 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Der Gewinn sank um 29,3 Prozent auf 910,1 Millionen Euro. Damit ist das Unternehmen wieder weit entfernt von den Rekordeinnahmen, die innenpolitisch in den vergangenen Jahren auch viel Staub aufgewirbelt und der Branche eine Übergewinnsteuer eingebrockt haben.
Das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut hat am Donnerstag noch einmal daran erinnert, dass auch die Landesenergieversorger 2023 noch um 1,45 Milliarden Euro mehr Gewinn eingefahren haben als in den Jahren vor der Energiekrise (2018 bis 2021). Aber 2024 ist nicht 2023, wie die am Donnerstag vorgelegten Zahlen des Verbunds verdeutlichen. Gemessen am Vorkrisenniveau schneidet das Unternehmen freilich weiterhin vergleichsweise gut ab.
Investitionen geplant
Der Erzeuger kann die stabilen Gewinne auch gut gebrauchen, hat er doch ein 5,5 Milliarden Euro starkes Investitionsprogramm am Start. Noch heuer soll das Wasserkraftwerk Gratkorn in Betrieb gehen, für 2025 ist die Inbetriebnahme der Pumpspeicherkraftwerks Limberg III und des Salzachkraftwerks Stegenwald geplant. Die Produktion aus Solarenergie konnte der Verbund im ersten Halbjahr um 30 Prozent steigern, jene aus Windkraft um 80 Prozent. Bis 2030 sollen diese neuen Erneuerbaren ein Viertel der gesamten Produktionsleistung ausmachen.
Anders als bei der Wasserkraft ist der Verbund in diesen Bereichen aber auf Investitionen im Ausland angewiesen. In Österreich konnte das Unternehmen nur vereinzelt Projekte umsetzen. In Italien, vor allem aber in Spanien, geht der Ausbau hingegen weit rascher voran.
Alles in allem sind es durchwachsene Aussichten für Verbund-Aktionäre, die sich zuletzt zwar über Rekorddividenden (4,15 Euro für das Geschäftsjahr 2023 inkl. Sonderdividende) freuen konnten, aber mit dem Rückgang der Strompreise im Großhandel deutliche Kursverluste hinnehmen mussten.
Aktie gab deutlich nach
Im August 2022 kostete eine Verbund-Aktie noch rund 109 Euro, inzwischen sind die Papiere um 76Euro je Stück zu haben – und die meisten Analysten raten eher zum Verkauf als zum Kauf. Am Donnerstag gab der Kurs nach Vorlage der Zahlen zeitweise um über zwei Prozent nach, seit Jahresbeginn ist das Papier rund sieben Prozent im Minus. Zwar ist bei den Strompreisen kein Absinken auf das Vorkrisenniveau zu erwarten. Die Höhenflüge der vergangenen beiden Jahre sind aber definitiv vorbei.
Das Unternehmen selbst erwartet für das Geschäftsjahr 2024 aufgrund der aktuellen Risikolage nunmehr ein Betriebsergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von drei bis 3,3 Mrd. Euro und ein Konzernergebnis von 1,5 bis 1,65 Mrd. Euro. 45 bis 55 Prozent des um Sondereffekte bereinigten Konzernergebnisses soll in Form von Dividenden an die Aktionäre gehen.
Der Energiekonzern steht zu 51Prozent im Eigentum der Republik Österreich, weitere 25 Prozent gehören einem Syndikat aus EVN und Wiener Stadtwerke, fünf Prozent der Tiwag. 20 Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz.
von Matthias Auer
Die Presse