Neuer Klimaplan-Entwurf konform mit EU-Ziel bis 2030

21. August 2024, Wien/Brüssel
Umweltschutzministerin Leonore Gewessler präsentierte die Eckpunkte
 - Wien, APA/ROLAND SCHLAGER

Die Einigung auf einen österreichischen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) ist seit der Vorwoche bekannt, am Dienstag hat Umweltschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) nun die Eckpunkte des rund 350-seitigen Werks in Wien präsentiert. So sollen klimaschädliche Subventionen wie das „Dieselprivileg“ fallen, um die CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren, was das EU-Klimaziel vorsieht. Das Finanzministerium sieht dies jedoch anders.

Gewessler erinnerte an die Lücke des ersten Entwurfs, der im Juli des Vorjahres vorgestellt wurde und wo statt 48 nur 35 Prozent Treibhausgas-Reduktion erreicht worden waren. Inzwischen habe man aber weitere gemeinsame Maßnahmen erarbeitet, „allen voran die umfangreiche Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen“, so die Ministerin. Das betreffe sowohl das Dieselprivileg in Form einer geringeren Mineralölsteuer gegenüber Benzin wie auch den Steuervorteil für Dienstautos.

Fertig sei die Arbeit natürlich noch nicht, gerade die Abschaffung der Subventionen brauche noch Zeit und zuständig sei hier das Finanzministerium. Eine geplante Einsparung von CO2-Emissionen im Ausmaß von mindestens zwei Millionen Tonnen im Jahr 2030, dies sei kein „‚Klein-Klein‘, sondern ein großer Beitrag“, und daher auch schritt- und stufenweise und ernsthaft anzugehen“, unterstrich die Ministerin.

Eine andere Sichtweise äußerte indes eben dieses Finanzministerium. Ressortleiter Magnus Brunner (ÖVP) hielt zum NEKP-Abschnitt mit „klimakontraproduktiven Maßnahmen“ fest, dass hier Reduktionen zwar nötig seien, „welche Maßnahmen das konkret betreffen wird, ist allerdings noch nicht geklärt – konkrete Subventionen, wie beispielsweise das Dieselprivileg oder die Pendlerpauschale sind im Plan nicht angeführt“, hieß es in seinem Statement. Eine Analyse aller klimakontraproduktiven Subventionen durch eine Arbeitsgruppe im Finanzministerium werde im Herbst starten.

Harsch reagierte auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. „Die Interpretationen des Klimaplans von Umweltministerin Gewessler erinnern an ‚Leonore im Wunderland‘. Im Gegensatz zum zurückgezogenen Gewessler-Klimaplan aus dem Jahr 2023, der mit der Volkspartei nicht abgestimmt war, ist es durch den Einsatz der Volkspartei gelungen, im Nationalen Energie- und Klimaplan Hausverstand und Klimaschutz zu vereinen. Im Bereich Klimaschutz setzen wir auf Technologieoffenheit und Fortschritt, nicht auf Verbote“, schrieb er in einer Aussendung. Im nun vorgelegten Klimaplan würden „keine spezifischen Subventionen wie das Dieselprivileg oder die Pendlerpauschale erwähnt“, betonte er.

Weitere der neuen Maßnahmen sind laut Gewessler die Fortsetzung der hohen Förderungen für den Heizungstausch und die Sanierung von Gebäuden bis 2030, ein massiver Ausbau der Wasserstoffproduktion für die heimische Industrie und der Einsatz der dauerhaften CO2-Speicherung in Sektoren, in denen klimaschädliche Treibhausgasemissionen nicht anders vermieden werden können.

Insgesamt könne Österreich die EU-Klimaziele erreichen, unterstrich Gewessler, denn „die vielen Klimamaßnahmen“ der laufenden Legislaturperiode würden schon jetzt einen Unterschied machen, vom Klimaticket bis zum Heizungstausch. Und all diese Maßnahmen würden Österreich nicht nur auf Klimakurs bringen, denn so schütze man vor allem eines, die „Lebensqualität und Zukunft für die kommenden Generationen“.

Am Ende zähle ein gutes Ergebnis, und ein solches sei gelungen, fasste Gewessler die Arbeit am NEKP zusammen. Eigentlich wurde der erste NEKP-Entwurf schon im Vorjahr an die EU-Kommission übermittelt, jedoch zog ihn Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) dann Anfang Dezember wieder zurück, weil er nicht der österreichischen Regierungsposition entsprochen hätte.

„Das Thema hat uns lange beschäftigt“, so Gewessler. Sie hätte sich gewünscht, dass die EU früher ihr Feedback zum NEKP hätte abgeben können und mit der Rücknahme des Entwurfs habe das Land „kein gutes Bild abgegeben“. Österreich erfülle nun aber sein Ziel und sie gehe davon aus, dass das auch die EU-Kommission so sehen werde.

Wegen des fehlenden Entwurfs eröffnete die EU-Kommission Ende Dezember 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Eine Etappe zu überspringen, und nun gleich den finalen NEKP einzureichen, sei jedenfalls nicht möglich, hielt ein Kommissionssprecher Anfang Juli fest. „Dies ist ein schrittweiser Prozess. Wir müssen einen Entwurf erhalten. Die Kommission gibt dann Empfehlungen dazu ab und dann brauchen wir einen finalen Plan“.

Eines steht fest, der Ministerrat wird heute den NEKP beschließen. Der Beschluss zeigt, wie Klimaschutz unter Berücksichtigung aller Zuständigkeiten und Einhaltung der Gesetze funktioniert, hieß es dazu in einem Statement von Europaministerin Edtstadler. „Der gesetzlich erforderliche innerstaatliche Koordinierungsprozess wurde diesmal, wie von mir immer gefordert, eingehalten. Dies war bei der einseitigen Übermittlung des NEKP-Gewessler-Entwurfs Ende 2023 nicht der Fall“, so Edtstadler weiter. Der Plan, der heute durch den Ministerrat gehen werde, stehe für „Klimaschutz mit Hausverstand“.

„Was lange währt, wird doch nicht gut. Gewessler hat heute viel heiße Luft präsentiert“. Zweifel am NEKP äußerte die stv. Klubobfrau und Umweltsprecherin der SPÖ, Julia Herr, einerseits könne die kommende Regierung „ihn einfach wieder umändern“, auch sei es kein „finaler Klimaplan“, denn die EU-Kommission müsse diesen erst für belastbar halten, kritisierte sie. Die FPÖ sah im NEKP indes „den erwarteten Todesstoß für die heimische Wirtschaft und auch den Mittelstand“. Von den „‚gezogenen Giftzähnen‘ wie dies zuletzt die ÖVP großspurig hinausposaunte“, könne keine Rede sein“, hieß es von FPÖ-Verkehrssprecher und Generalsekretär Christian Hafenecker.

Leere Versprechen und schöne Überschriften ortete NEOS-Klimasprecher Michael Bernhard: „Seit 1.328 Tagen gibt es kein Klimaschutzgesetz, kein Elektrizitätswirtschaftsgesetz, und auch das Erneuerbaren-Ausbaubeschleunigungsgesetz steht noch immer aus“, kritisierte er. Der NEKP selbst enthalte „sehr unkonkrete Ankündigungen – beispielsweise gibt es bei der Abschaffung klimaschädlicher Subventionen lediglich die erneute Ankündigung einer interministeriellen Arbeitsgruppe, jedoch keinen konkreten Zielpfad.“

Kritik kam auch vonseiten der Industriellenvereinigung, die Ziele des NEKP würden bei etwaiger Umsetzung als Hypothek für den Standort wirken, „da sie kostspielige Bindungswirkungen für den gesamten Wirtschaftsstandort entfalten können“, hieße es in einer Aussendung. „Empfindliche Unsicherheiten für die heimischen Betriebe“, ortete die Wirtschaftskammer im NEKP, begrüßte jedoch die Aufhebung der spezifischen Sektorziele im Vergleich zur ersten Version.

Letzteres wurde von Global 2000 jedoch als eine der Schwächen des Klimaplans bezeichnet, trotzdem gelte es zu einer raschen Umsetzung zu kommen, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher. So werde das im NEKP enthaltene Erneuerbaren Gas-Gesetz bereits im Parlament behandelt und könne noch vor den Wahlen beschlossen werden. Der WWF forderte indessen einen verbindlichen Abbauplan für umweltschädliche Subventionen, Energiespar-Programme und Stärkung natürlicher CO2-Senken. „Mit den Klimaschutzmaßnahmen der letzten Jahre ist Österreich gerade erst auf den richtigen Weg gekommen. Der Klimaplan zeigt, wie es nun weitergeht. Es liegt an der nächsten Regierung, den Worten Taten folgen zu lassen“, wandte sich indessen Greenpeace-Klima- und Energieexpertin Jasmin Duregger an die kommende Regierung.

APA