Ideen, um die Energiewende voranzubringen

11. September 2024

Von fossil auf erneuerbar zu switchen ist leichter gesagt als getan. Leitungen müssen gebaut, Gesetze angepasst und viele Milliarden investiert werden – Geld, das nicht vom Himmel fällt. Hier eine Auswahl an Ideen, wie es gelingen könnte.

Investoren begeistern

Privates Kapital könnte Umbau beschleunigen

Dekarbonisierung des Energiesystems heißt nichts anderes als Elektrifizierung mit Strom aus erneuerbaren, sauberen Quellen. Der damit einhergehende Umstieg von zentraler auf dezentrale Erzeugung bedarf einer ausreichend starken und umfassenden Infrastruktur im Bereich Netze und Speicher. Das bedingt massive Investitionen in den Ausbau sowohl von Übertragungs- und Verteilnetzen als auch von Speicherkapazitäten. Allein der Bedarf an Investitionen in die Verteilnetze wird in Österreich auf 15 Milliarden Euro bis 2030 geschätzt, bis 2040 sind es 30 Milliarden.

Nicht jeder Netzbetreiber ist in der Lage, das Investitionsbudget im notwendigen Ausmaß rasch zu skalieren. Deshalb sollte auch auf das Kapital privater Investoren zurückgegriffen werden, meint Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Als Vorbild könnte die Telekommunikationswirtschaft dienen, wo private Investoren sich am Ausbau der Breitbandnetze beteiligen, wie beispielsweise die Allianz bei der Nögig, der Niederösterreichischen Glasfaserinfrastrukturgesellschaft.

Laut Böheim wäre das eine „Win-win-win-Situation“. Privates Kapital nimmt den im öffentlichen Eigentum stehenden Energieversorgungsunternehmen den hohen Investitionsdruck. Sichere Renditen aus Infrastrukturinvestitionen sind attraktiv für langfristig orientierte institutionelle Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen. Drittens und nicht minder wichtig: Der Netzausbau kann dadurch zügig voranschreiten.
Industrie als Treiber

Mit Garantien der öffentlichen Hand

Der Ausbau der Erneuerbaren, von Windenergie über Photovoltaik bis hin zu Biomasse- und Biogasanlagen, ist in den zurückliegenden Jahrzehnten stets gefördert worden. Der Staat verpflichtete sich zur langfristigen Abnahme von Grünstrom und stellte so die Investitionssicherheit für den Bau derartiger Projekte her.

In den vergangenen Jahren hat sich einiges verändert: Große, internationale Unternehmen ermöglichen immer öfter Investitionen in erneuerbare Energieprojekte, indem sie die langfristige Abnahme der Energie im Rahmen sogenannter Power Purchase Agreements (PPA) sicherstellen. Vorreiter dieser Entwicklung sind globale Konzerne wie Microsoft und Heineken. Aber auch österreichische Industriebetriebe wie Lenzing oder Jungbunzlauer, genauso Handelsbetriebe wie Rewe und DM haben sich zuletzt langfristig Energie aus erneuerbaren Quellen gesichert.

Um diesen Trend zu fördern und zu verstärken, sollte das öffentliche Förderungssystem besser auf die unternehmensseitigen Unterstützungsmaßnahmen abgestimmt werden, meint Lukas Stühlinger. Der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter von Fingreen, das sich auf Beratung und Hilfestellung bei der Finanzierung grüner Projekte und Technologien spezialisiert hat, hält viel von staatlichen Garantiemodellen. Für den Abschluss langfristiger Energieabnahmeverträge würden staatliche Garantien helfen, die Finanzierungskosten zu senken. So könnten Handel und Industrie zum Treiber der Energiewende werden.

Mehr Wettbewerb

Kreuzbeteiligungen im Energiesektor auflösen

Der Wettbewerb auf den Energiemärkten ist nach wie vor unzureichend entwickelt. So lautet der Befund der Regulierungsbehörde E-Control. Dabei könne gerade ein funktionierender Wettbewerb für faire und leistbare Preise sorgen. Dafür brauche es Transparenz, etwa bei Angeboten und Tarifen, aber auch entsprechende Vergleichsmöglichkeiten. Verständliche Kommunikation, die alle nötigen Informationen beinhaltet, sei die Voraussetzung dafür, dass Konsumenten und Konsumentinnen aktiv am Energiemarkt teilnehmen können.

Regulatorische Eingriffe sollten nach Dafürhalten des E-Control-Vorstandsduos Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch auf das notwendige Maß begrenzt, politische Einflussnahmen auf unternehmerische Entscheidungen vermieden werden. Schließlich sollten auch die wechselseitigen Beteiligungen der Energieunternehmen nach Möglichkeit reduziert werden. Nur so würden diese in die Lage versetzt, tatsächlich nach marktwirtschaftlichen Kriterien agieren zu können.

Sollte es dennoch notwendig sein, in Ausnahmefällen, etwa einer Krise wie zuletzt nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine oder bei Marktversagen, staatliche Maßnahmen zu ergreifen, sollten diese möglichst treffsicher und zeitlich begrenzt sein. Davon abgesehen gehe es um die Erhöhung der Effizienz im Energiesystem. Nur so lasse sich die Kostenbelastung, die aus dem Umbau des Energiesystems resultiert, in Grenzen halten.

Rasche Digitalisierung

Daten erheben und dann auch nutzen

Eine effiziente Datenerhebung und -nutzung ist – neben dem Ausbau der Erzeugungs- und Netzinfrastruktur – einer der zentralen Bausteine des neuen Energiesystems. Ohne Digitalisierung würden viele Möglichkeiten ungenutzt gelassen, werde unnötig Geld ausgegeben, und es seien auch die ambitionierten Klimaziele nicht erreichbar, sagen die Vorstandsdirektoren der E-Control, Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch. Allen Marktteilnehmern, vom Haushalt über die Betriebe bis zu Lieferanten und Dienstleistern, müssten die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen.
Zunächst gehe es um die flächendeckende und zeitnahe Nutzung von Daten der Smart Meter, das sind intelligente Stromzähler. Es wäre unsinnig, zuerst viel Geld für die Zähler auszugeben und die Daten dann ungenutzt liegen zu lassen, meint die Regulierungsbehörde. Gerade den Netzbetreibern komme hierbei eine große Verantwortung zu, etwa für das Funktionieren von Energiegemeinschaften oder die Nutzung von Angebots- und Nachfrageflexibilitäten.

Letztere würden, bedingt durch die Energiewende, stark zunehmen. Dies erfordere eine deutlich stärkere Kooperation der Infrastrukturbetreiber im Strom-, Gas- und Wärmebereich hinsichtlich Datenaustausch, Kommunikation und Abstimmung von Entscheidungen für die Planung der Systeme. Eine stärkere Verpflichtung oder Anreize zur Zusammenarbeit sollten daher bei der weiteren Überarbeitung des Regulierungsrahmens zentral sein.

Kompetenzen bündeln

Zuständigkeiten sollten klar definiert werden

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die Gewährleistung von Versorgungssicherheit herausfordernd ist und weit über den Energiebereich hinausgeht: Bei Gas sind etwa geopolitische Faktoren zu berücksichtigen, bei Strom der steigende Anteil der Marktteilnehmer und die zunehmende Dezentralisierung in der Erzeugung. Das alles bringt einen zusätzlichen Koordinationsbedarf.

In der Krise hat der Staat deutlich mehr Verantwortung für die Sicherstellung der (Gas-)Versorgung übernommen, auch aufgrund der Dringlichkeit der Maßnahmen. Nun wäre es an der Zeit, die Zuständigkeiten genau festzuschreiben, meinen die Vorstandsdirektoren der E-Control, Alfons Haber und Wolfgang Urbantschitsch. Welche Verantwortlichkeiten haben die staatlichen Organe, die Energieunternehmen sowie Kunden und Kundinnen für eine sichere Energieversorgung? Die Antworten sollten im Rahmen eines neuen Governance-Konzepts erarbeitet werden, schlagen die Chefs der Regulierungsbehörde vor.

Noch einen Schritt weiter geht Lukas Stühlinger. Der Fingreen-Gründer und Managing Partner des auf Beratung und Finanzierung grüner Projekte spezialisierten Unternehmens würde die Bündelung der Kompetenzen in einem eigenständigen Energieministerium begrüßen. Argument: Höchst notwendige Energiegesetze müssten laufend an sich rasch verändernde Rahmenbedingungen angepasst werden. Das allein schon erfordere volle Aufmerksamkeit.

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