Finanzierung. Gezielte politische Maßnahmen sind nötig, um private Investoren für nachhaltige Projekte zu gewinnen
An einem Dezembermorgen 2019 setzte Ursula von der Leyen in ihrer ersten Rede als EU-Kommissionspräsidentin ein Zeichen: „Dies ist Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment.“ Mit dieser Metapher präsentierte sie den Europäischen Green Deal, der Europa bis 2050 klimaneutral machen soll. Doch um diesen ehrgeizigen Plan zu verwirklichen, sind immense finanzielle Mittel nötig – allein bis 2030 werden rund 1,8 Billionen Euro benötigt, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Diese Summe deckt Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ab.
Riesiges Paket
Die Europäische Investitionsbank-Gruppe (EIB) spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung von Projekten, die die EU-Ziele wie ausgewogenes Wachstum und den Übergang zur Klimaneutralität fördern. Sie vergibt Darlehen an öffentliche und private Projekte und kooperiert mit anderen Finanzinstituten, um ihre Wirkung zu verstärken. 2023 unterzeichnete die EIB 88 Milliarden Euro an neuen Finanzierungen, davon 1,3 Milliarden in Österreich. Hier unterstützt sie seit über 50 Jahren vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie Projekte in den Bereichen Verkehr, Energie und bezahlbarer Wohnraum. Die grüne Transformation steht im Fokus, um Österreichs Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen und durch saubere Technologien ein stabileres Wachstum zu sichern.
Grüne Investitionslücke
Doch die Mittel der EU reichen für die Finanzierung der grünen Transformation nicht aus. Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft, betont: „Die erforderlichen Summen sind enorm und können nicht allein von der öffentlichen Hand gestemmt werden. Private Investoren müssen eingebunden werden, doch dies scheitert oft an den hohen Risiken, die solche Projekte mit sich bringen.“ Aber die viele Investoren suchen zunehmend nach Möglichkeiten, nicht nur finanziellen Gewinn, sondern auch eine gesellschaftliche und ökologische Wirkung zu erzielen. Nachhaltige Finanzprodukte wie ESG-Fonds (Environmental, Social, Governance) rücken daher stärker in den Fokus. Doch es gibt noch viel Raum für Wachstum: „Der Anteil der ESG-Fonds am weltweiten Fondsvolumen hat 2023 zwar mit 7,9 Prozent einen Rekord erreicht“, so Monika Rosen, „doch absolut gesehen bleibt noch viel Potenzial.“
Kapitalmarkt als Turbo
Eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der grünen Transformation könnte auch die Wiener Börse beziehungsweise der Kapitalmarkt insgesamt spielen. Um nachhaltige Investitionen zu fördern, hat die Wiener Börse das Vienna ESG Segment ins Leben gerufen, das mittlerweile mehr als 100 nachhaltige Anleihen mit einem Volumen von über 27 Milliarden Euro umfasst. Die Nachfrage gerade in diesem Segment ist groß. Trotz dieser Fortschritte zeigt sich jedoch, dass heimische Unternehmen oft noch zögerlich sind, den Kapitalmarkt zur Refinanzierung zu nutzen. Rosen: „Die Amerikaner investieren mehr als Viereinhalbmal so viel in Aktien oder Investmentfonds als die Europäer. Damit bleiben die europäischen Kapitalmärkte fragmentiert und unterentwickelt. Und somit stehen den Unternehmen hierzulande weniger Finanzierungsmöglichkeiten abseits der klassischen Bankfinanzierung zur Verfügung.“ Um den Kapitalmarkt attraktiver zu gestalten, sind politische Maßnahmen dringend notwendig. Rosen: „Ein gemeinsamer EU-Kapitalmarkt wäre ein entscheidender, wenn auch politisch herausfordernder Schritt, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Viele Experten fordern zudem eine Abschaffung der steuerlichen Bestrafung privater Vorsorge durch die KESt.
Kurier