Rechenzentren. Kernkraft gilt als einziges Mittel, das den Energiehunger von Künstlicher Intelligenz stillen kann. Microsoft will sogar ein altes AKW reaktivieren, in dem das schwerste Atomunglück der USA stattfand
Im Atomkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania ereignete sich 1979 das schwerste AKW-Unglück in den USA. Es kam zu einer partiellen Kernschmelze, die den Reaktorblock II zerstörte. Reaktorblock I wurde noch bis 2019 betrieben und dann aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Nun soll er wieder in Betrieb genommen und die Energie zum Betrieb von Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt werden, wie die Washington Post berichtet. Alleiniger Abnehmer: Microsoft.
Das Unternehmen hat erst im vergangenen Jahr vorgestellt, wie Künstliche Intelligenz vermeintlich die Welt retten kann. Durch KI könnten weniger Ressourcen verbraucht und CO₂-Emissionen gesenkt werden, indem die Technik dabei hilft, neue Ansätze für „grüne“ Technologien zu entwickeln. Das Problem dabei ist, dass die Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz alles andere als nachhaltig ist.
Energiehunger
Das liegt am extremen Energiehunger dieser Systeme. Es werden immer mehr Rechenzentren gebraucht, um die KI zu trainieren und am Laufen zu halten. Rechenzentren machten 2022 rund 1,5 Prozent des globalen Energiebedarfs aus – in Zeiten, bevor ChatGPT den KI-Boom ausgelöst hat.
Allein Microsoft will zusammen mit dem ChatGPT-Unternehmen OpenAI ein gigantisches Rechenzentrum namens Stargate bauen, das so viel Strom wie vier Millionen US-Haushalte benötigt. Würde man dieses Datencenter mit Solarstrom versorgen wollen, bräuchte es Photovoltaikmodule auf einer Fläche von über 600.000 Fußballfeldern.
KI-Anwendungen benötigen nicht nur fürs Training, sondern auch in der Nutzung deutlich mehr Strom als herkömmliche Lösungen. Eine Anfrage an ChatGPT verbraucht laut Goldman Sachs fast zehn Mal mehr Energie als eine entsprechende Google-Suche. Bis 2030 sollen dadurch insgesamt 2,5 Milliarden Tonnen CO₂ ausgestoßen werden. Zum Vergleich: Österreich stößt jährlich etwa 70 Millionen Tonnen aus.
Amazon, Apple, Google, Meta und Microsoft brüsten sich allerdings damit, wie wenig CO₂ sie emittieren. Möglich machen das sogenannte Grünstromzertifikate, die nachweisen sollen, dass die Unternehmen Strom aus erneuerbaren Energien für ihre Anlagen nutzen. Der Haken dabei ist, dass diese erneuerbaren Energien gar nicht in den Anlagen des Unternehmens verbraucht werden müssen. So kauft man etwa Zertifikate eines weit entfernten Windparks, obwohl man den Strom eines nahe gelegenen Gaskraftwerks nutzt.
Auch der Strom des Atomkraftwerks Three Mile Island wird nicht direkt in die Anlagen von Microsoft geliefert, sondern im regionalen Stromnetz verteilt. In trockenen Tüchern ist dieser Deal noch lange nicht. Um den Reaktorblock wie geplant bis 2028 wieder in Betrieb zu nehmen, benötigt es nämlich noch die Freigabe der Atomaufsicht der USA. Der Betrieb von Three Mile Island löst auch nicht das Problem, dass Microsofts Rechenzentren den Atomstrom nicht direkt nutzen können, sondern weiter auf Kohle, Erdöl und Erdgas angewiesen sind.
Mini-Atomkraftwerke
Gerade Microsoft forciert daher die Entwicklung von Mini-Atomkraftwerken, sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Diese sollen nicht nur billiger gebaut werden als große AKW, sondern können vor allem auch in der Nähe von Datencentern errichtet werden, die bislang fossile Energie beziehen. Die Entwicklung von SMRs steckt allerdings noch in den Kinderschuhen und es ist alles andere als gewiss, dass sie ihnen jemals entwachsen wird.
Atomkraft gilt als emissionsfrei, ist allerdings umstritten. Während bei der Energieerzeugung selbst kein Treibhausgas ausgestoßen wird, verweisen Kritiker auf die Emissionen, die für den aufwendigen Bau des Kraftwerks und den Abbau des Brennstoffs entstehen.
Zudem ist die Endlagerung des radioaktiven Abfalls weiterhin ein ungelöstes Problem. Die Technologie liefert allerdings konstant Energie und ist keinen täglichen und saisonalen Schwankungen unterworfen wie Sonnen- und Windenergie.
Atomkraft scheint sich daher perfekt für KI-Rechenzentren zu eignen, die rund um die Uhr Strom verbrauchen – zumindest so lange, bis Wind- und Sonnenenergie sowie Energiespeichermöglichkeiten erheblich ausgebaut sind. Für die IT-Unternehmen ist es aber wichtig, schnell in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz zu investieren, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Nicht nur Microsoft wendet sich daher der Atomenergie zu, auch Amazon kaufte dieses Jahr ein Rechenzentrum, das zu 100 Prozent mit Atomenergie betrieben wird.
Fakten
Stargate
Das bis zu 100 Milliarden Dollar teure KI-Rechenzentrum von Microsoft und OpenAI soll ebenfalls 2028 in Betrieb gehen. Es verbraucht so viel Energie wie knapp vier Millionen US-Haushalte 7,6 Ma höher als offiziell angegeben sind die Treibhausgasemissionen von Datenzentren, wie der „Guardian“ herausfand. IT-Unternehmen verwenden bei der Berechnung ihrer CO₂-Bilanz sogenannte Grünstromzertifikate, die sie aus Landesteilen mit viel erneuerbarer Energie zukaufen. Diese drücken die Bilanz. Die Emissionen, die lokal erzeugt werden, sind deutlich höher
Kurier