An der Börse wird Strom billiger, für Haushalte nicht

11. Oktober 2024, Wien

Strom. Die Strompreise im Großhandel sind heuer stark gesunken, doch klagt jeder Dritte über höhere Stromrechnungen. Treue ist für Konsumenten mitunter teuer.

Ein wenig paradox ist es schon: In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Strompreise an den europäischen Großhandelsmärkten kräftig von ihren Rekordwerten vor zwei Jahren entfernt. Auch die durchschnittlichen Preise für Haushalte sind im August erneut leicht gesunken, sagt die Österreichische Energieagentur. Aber trotz der sinkenden Börsenpreise geben 86 Prozent aller Menschen im Land an, dass sie aktiv Energie sparen, um die eigenen Kosten einzuschränken.

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY unter tausend Österreicherinnen und Österreichern. Jeder Zweite muss sich demnach aufgrund der Energiepreise in anderen Bereichen seines Lebens einschränken. Die Mehrheit verzichtet dabei auf Restaurantbesuche und Urlaube. Jeder Fünfte weiß nicht, ob er seine Stromrechnung pünktlich bezahlen kann. Noch einmal so viele fürchten, dass es ihnen schon bald so gehen könnte.

Schere geht weiter auf

Doch die Befragung fördert noch ein weiteres Detail zutage: Ob die aktuellen Energiepreise als Belastung wahrgenommen werden, hängt nicht nur mit dem eigenen Einkommen zusammen, sondern vor allem auch damit, wem man den Strom abkauft. Denn während jeder Dritte in den vergangenen zwölf Monaten von Preissenkungen seines Anbieters profitiert hat, sitzen ebenso viele sogar auf höheren Elektrizitätsrechnungen als vor einem Jahr.
„Wir sehen heuer ganz stark, dass die Schere zwischen gestiegenen und gesunken Kosten weit auseinandergeht. Der Grund ist, dass die Weitergabe von Strompreisentwicklungen unter anderem von der Beschaffungspolitik der Energieversorger abhängt“, sagt Christina Khinast-Sittenthaler, Leiterin des Energiesektors bei EY Österreich.

Westen ist billiger als Osten

Wie groß die preislichen Unterschiede bei den verschiedenen Anbietern in Österreich auch zwei Jahre nach der Energiepreiskrise noch sind, haben auch die Bundeswettbewerbsbehörde und der Energieregulator E-Control Ende des Sommers in ihrem zweiten Zwischenbericht der Taskforce Strom & Gas festgestellt. Demnach variieren die tatsächlichen Kosten für die Haushalte aber nicht nur zwischen den Anbietern selbst. Sogar Kundinnen und Kunden desselben Anbieters bezahlen oft unterschiedliche Tarife. So sind die Preise im Westen des Landes deutlich niedriger als im Osten. „Auf Basis von Einkaufsstrategien“ seien die bis zu vier Mal höheren Preise für manche Kunden „kaum oder schlicht nicht nachvollziehbar“, sagte E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch bei der Präsentation des Reports.

Teure Anbieter, treue Kunden

Auch Lukas Zwieb, Experte für Energiewirtschaft in der Österreichischen Energieagentur, sieht das ähnlich: Die Endkundenpreise für Strom und Erdgas sinken zwar, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie es die Entwicklungen auf den Großhandelsmärkten annehmen lassen würden. „Eine Erklärung dafür sind die Lieferkonditionen, die zwischen Kunden und Lieferanten vertraglich vereinbart werden. Wir raten deshalb Kundinnen und Kunden, ihre Energielieferverträge zu überprüfen und mit aktuellen Angeboten zu vergleichen. So kann in vielen Fällen Einsparpotenzial genutzt werden.“
Tatsächlich wäre der Wechsel zu einem günstigeren Lieferanten (einfach zu bewerkstelligen unter www.tarifkalkulator.at sowie auf diversen Vergleichsplattformen) die logische Antwort jener Konsumentinnen und Konsumenten, die zu viel bezahlen. Doch wie die EY-Umfrage zeigt, haben 63,3 Prozent aller Befragten im letzten Jahr nicht gewechselt bzw. einen Wechsel angedacht. Nur 16 Prozent haben sich tatsächlich für einen neuen Lieferanten entschieden. Grund dafür war vor allem der Mangel an Informationen, Unsicherheit über die tatsächlichen Einsparungen und mangelndes Vertrauen in Alternativen.

Ein Grund, der nicht abgefragt wurde, könnte auch das fehlende Wissen über die eigenen Energiekosten sein. 68 Prozent wissen laut einer Studie der E-Control nicht, wie viel sie im Monat für Strom bezahlen. Eine Gesetzesnovelle soll das ändern und den Kundinnen und Kunden monatliche Rechnungen bringen. Aber die Euphorie darüber ist begrenzt, zeigt die EY-Umfrage. 31 Prozent wollen nicht jeden Monat daran erinnert werden, was sie für Elektrizität bezahlen müssen.

Das vage Gefühl, „zu viel“ zu bezahlen, reicht offenbar für die überwältigende Mehrheit der Menschen aus, um sie zum Energiesparen zu bringen. Dass sie damit auch die Umwelt schonen, spielt bestenfalls eine Nebenrolle. Nur für 6,5 Prozent aller Befragten war die Umwelt der entscheidende Faktor.

von Matthias Auer

Die Presse