Netzkosten schieben gehörig an

11. Oktober 2024

Die Arbeiterkammer befürchtet bis 2030 für Haushalte eine Verdoppelung der Netztarife auf 600 Euro pro Jahr, wenn die steigenden Kosten nicht besser verteilt werden.

Bei den Kosten für die Stromproduktion stehen die Chancen gut, dass sie mit einem immer größeren Anteil von erneuerbaren Energien am Erzeugungsmix sinken. Wettbewerb zwischen den Stromlieferanten sollte sich zusätzlich dämpfend auf die Stromrechnung auswirken. Anders sieht die Situation bei den Netzkosten und den dafür in Rechnung gestellten Beträgen aus: Diese werden mit ziemlicher Sicherheit steigen, im kommenden Jahr voraussichtlich um 20 Prozent, wie die Arbeiterkammer (AK) in einem Pressegespräch am Mittwoch prognostizierte.

Voraussichtlich deshalb, weil die Systemnutzungsentgelte-Verordnung, in der die für 2025 fälligen Netztarife festgeschrieben sind, noch nicht vorliegt. Die Regulierungsbehörde E-Control, die von allen Netzbetreibern Österreichs die Kosten für Instandhaltung, Betrieb und den geplanten Ausbau der Stromleitungen übermittelt bekommen hat und nach Prüfung eine Aufteilung der Kosten vornimmt, wird sie in den kommenden Wochen präsentieren.

Gut 60 Euro mehr im Jahr

Eine Erhöhung um 20 Prozent, mit der AK-Energieexperte Joel Tölgyes bei den Netztarifen im kommenden Jahr rechnet, würde netto, also abzüglich der Mehrwertsteuer, einem Anstieg der Netzkosten für jeden österreichischen Haushalt von derzeit durchschnittlich 300 Euro pro Jahr auf dann 360 Euro entsprechen.

Damit nicht genug: In weiterer Folge dürften die auf Haushalte und mit Abstrichen auf kleine bis mittelgroße Unternehmen sowie Industrie umgelegten Kosten weiter zulegen. Bis 2030 könnte sich der Fixbeitrag, den Haushalte pro Jahr für ein zeitgemäßes Stromnetz ausgeben müssen, auf durchschnittlich 600 Euro netto verdoppeln – sofern die absehbar steigenden Kosten für Ausbau, Erhalt und Betrieb des Stromnetzes in Österreich nicht fairer verteilt werden, wie Tölgyes anmerkt.

„Fremdgeher“

Eines der Probleme ist, dass die Kosten für den notwendigen Ausbau des Stromnetzes steigen, gleichzeitig aber der Verbrauch zurückgeht, zumindest die Menge, die über das öffentliche Netz geht. Was wie ein Widerspruch klingt, lässt sich leicht erklären: Immer mehr Haushalte, aber auch kleine, mittelgroße und größere Unternehmen verbrauchen einen Gutteil des benötigten Stroms aus eigenen Erzeugungsanlagen – sei es aus Photovoltaikanlagen (PV) auf dem Dach oder auch aus Windrädern über sogenannte Energiegemeinschaften.

Das heißt nicht, dass „Fremdgeher“ keinen Anschluss an das öffentliche Stromnetz mehr brauchen – in der Nacht, bei schwacher Sonne oder wenig Windaufkommen, insbesondere aber in den Wintermonaten müssen sie trotzdem Strom aus dem öffentlichen Netz ziehen. Das ist deutlich weniger, als in den meisten Fällen bisher der Normalfall war, und erhöht damit den Tarif pro Haushalt.

Der Netzausbau hingegen, für den allein die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG) als verantwortliches Unternehmen für das Hochspannungsnetz in den nächsten zehn Jahren rund neun Milliarden Euro kalkuliert und Netzbetreiber auf landes- und kommunaler Ebene 20 Milliarden Euro allein bis 2030 ausgeben wollen, richtet sich nach dem Zeitpunkt der größten Beanspruchung. Ist das in den Wintermonaten in den späteren Nachmittagsstunden der Fall, nützt es nichts, das Netz gerade so zu ertüchtigen, dass es im Hochsommer in Spitzenzeiten die benötigten Strommengen verlässlich transportieren kann. Dann muss das Netz auf die Erfordernisse im Winter getrimmt werden. Außer es gelingt, die Stromverbräuche durch Anreize im Sinn von günstigeren Tarifen so zu verschieben, dass die Spitzenbelastung gar nicht erst entsteht.

Öffentliche Hand gefragt

Das ist auch einer der Vorschläge der Arbeiterkammer, wie man das Problem steigender Netzkostentarife in den Griff bekommen könnte und auch müsste. Tölgyes fordert zudem eine öffentliche Kofinanzierung. Durch eine Optimierung der Netzauslastung könnten auch die Investitionskosten gesenkt werden, Kreditgarantien des Staates, Investitionszuschüsse und Beteiligungen sowie eine Streckung des Abschreibungszeitraums wären ebenso geeignet, die Kosten niedriger zu halten. Schlussendlich gehe es aber auch um eine fairere Kostenverteilung. Stromproduzenten und Großverbraucher sollten stärker zu Kasse gebeten werden, damit die privaten Haushalte nicht allein die volle Last tragen müssen.

Der Standard