Für Landeshauptmann Anton Mattle ist der europäische Energiemarkt nach wie vor nicht krisenresistent. Kernenergie dürfe nicht forciert werden.
Der Strompreisschock durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sitzt den Staaten und den Regionen in der EU noch in den Gliedern. Er war auch Thema im Ausschuss der Regionen in der Vorwoche in Brüssel. Für Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) hat die EU aber noch nicht die richtigen Lehren aus der Energiepreiskrise gezogen. Er warnt davor, sich aufgrund der wieder stark gesunkenen Strompreise auf europäischer Ebene zurückzulehnen und am bestehenden System festzuhalten. „Es bräuchte dringend ein Überdenken der Merit Order, also der Preisgestaltung des Stroms durch das teuerste zugeschaltete Kraftwerk. Auch damit Tirol keine neuerliche Energiekrise erlebt.“
Im Kern geht es Mattle darum, dass der Preis für Strom aus Tiroler Wasserkraft nicht vom schwankenden und von Russland beeinflussbaren Gaspreis abhängig sein darf. „Deshalb schließe ich mich der Forderung des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis nach mehr Nachvollziehbarkeit an.“ Griechenlands Premierminister hat zuletzt in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den europäischen Energiemarkt ebenfalls als „undurchsichtig“ bezeichnet.
Was Mattle in der EU besonders stört: „In Brüssel gibt es teilweise die Ansicht, dass Atomkraft eine grüne Energiequelle sei, Wasserkraft aber nicht. Mit diesem Irrglauben müssen wir aufräumen. Die Atom-Lobby überstrahlt die Befürworter von asserkraft bislang bei Weitem.“ Der Landeshauptmann plädiert deshalb für einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energieträger und eine nachhaltige Nutzung von Wasserkraft. Zugleich kritisierte Mattle im Regionenausschuss, dass man in Brüssel der Atomkraft das Wort rede, sich bei der Wasserkraft aber wegducke.
Dass die EU die Rolle der Kernenergie für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit im Energiebereich forcieren möchte, lehnt Tirol ab. Das dokumentierte Mattle mit einem Abänderungsantrag zur Energiestrategie im Ausschuss der Regionen. Nicht die Atomreaktoren sollen gestärkt werden, sondern erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie, Wasserkraft, Biomasse, Geothermie und Gezeitenenergie. „Nukleare Katastrophen der jüngsten Vergangenheit und ungelöste Fragen wie die Endlagerung der Brennelemente zeigen, dass die Kernenergie nicht die Zukunft ist“, begründet Mattle sein Nein zur Atomkraft.
Schlussendlich dürften die im EU-Vergleich niedrigen österreichischen Strompreise nicht dem Binnenmarkt zum Opfer fallen, hofft der Landeshauptmann auf eine faire Reform des Strommarkts. Vielmehr benötige es Bestrebungen, dauerhaft günstige Strompreise zu ermöglichen. „Eine leistbare und verlässliche Versorgung mit Energie ist ein Standort- und Wettbewerbsvorteil für die Menschen, Gemeinden und Unternehmen in Tirol. Nur mit günstigen und krisensicheren Strompreisen können wir der Deindustrialisierung entgegenwirken“, ist sich Mattle sicher.
„Die EU darf nicht aus den Augen verlieren, dass wir zuletzt mit einer Energiekrise konfrontiert waren.“
von Anton Mattle/ÖVP (Landeshauptmann)
Tiroler Tageszeitung