OMV-Chef Alfred Stern verteidigt seine Pläne für den Öl- und Gaskonzern und kritisiert die Idee, die Mineralölsteuer anzuheben.
Es sieht so aus, als käme die OMV in gut zwei Monaten aus dem Langfristvertrag mit Gazprom heraus, sollte ab Jahresende kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Österreich kommen. Wie verändert das die OMV? Alfred Stern: Die Situation ist unübersichtlich und es ist schwer vorherzusagen, was genau passieren wird. Seit 2022 ist das Risiko, das mit den – jahrzehntelang zuverlässigen – Gaslieferungen von Gazprom verbunden ist, wesentlich angestiegen. Seither haben wir diversifiziert und uns mit großem Aufwand dorthin bewegt, dass wir sowohl von den Gasquellen als auch den Pipelinekapazitäten her sicherstellen können, dass wir alle unsere Kunden mit nicht russischem Gas beliefern können. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet.
Was passiert konkret? Wichtig ist festzuhalten, dass im Vertrag mit Gazprom die slowakisch-österreichische Grenze als Lieferort steht und wir auf Vertragseinhaltung bestehen. Sollte das russische Gas nicht mehr dort ankommen, haben wir die Leitungskapazitäten von Italien und Deutschland nach Österreich und das notwendige Gas. Zurzeit kommen nur minimale Mengen aus dieser Richtung.
Wird Gas dann teurer? Österreich macht circa zwei bis drei Prozent des europäischen Gasmarkts aus. Wenn das passiert, wird man für Österreich sicher eine Bewegung des Marktpreises sehen, gesamteuropäisch wird es aber keinen Riesenunterschied machen, auch weil noch Flüssiggas-Kapazitäten frei sind. Zurzeit liefert Gazprom die vereinbarten Mengen und wir haben die Wahl: Gas nehmen und bezahlen oder Gas nicht nehmen und trotzdem bezahlen. Nur Geld ohne Ware macht geschäftlich keinen Sinn. Derzeit gibt es keine Sanktionen oder Gesetze, die Gas aus Russland verbieten. Die Lieferungen von russischem LNG (Flüssiggas, Anm.) nach Europa sind übrigens massiv gestiegen.
Die OMV hat nur nicht russische LNG-Verträge. Wir haben also schon eine klare Strategie. Die OMV will bis 2030 eine halbe Milliarde Euro mehr verdienen. Wie soll das gehen? In unserer Strategie bis 2030 ist Nachhaltigkeit ein Innovations- und Wachstumstreiber. Dazu zählt eines unserer derzeit größten Projekte, Neptun Deep im Schwarzen Meer, das ab 2027 rund 140.000 Barrel pro Tag bringen soll – die Hälfte davon für OMV Petrom. Das sind 20 Prozent unserer geplanten Produktion von 350.000 Fass pro Tag. Auch Chemie ist ein Wachstumsfeld, weil wir damit Kohlenstoffmoleküle nicht verbrennen, sondern langlebigere Anwendungen schaffen, derzeit mit Projekten in Texas, Belgien und Abu Dhabi. Und wir können mit nachhaltigen Kraftstoffen für Flugzeuge oder Schiffe Geschäft machen sowie im Energiebereich. Auch ohne Öl und Gasheizungen wollen es die Menschen im Winter warm haben.
Dazu braucht es neue und nachhaltigere Wärmequellen, wie beispielsweise Geothermie. Wie passt das Gasprojekt in Rumänien in Ihre Strategie? Es ist unrealistisch zu glauben, dass die OMV oder sonst jemand bis 2030 komplett aus Öl und Gas aussteigen kann. Wohlstand wird es nur mit ausreichender und leistbarer Energie geben, die immer nachhaltiger werden muss. Im Öl- und Gasgeschäft muss man permanent investieren, sonst versiegen die Quellen. Nur damit wir bei 350.000 Barrel pro Tag bleiben können, brauchen wir Wachstumsprojekte und müssen graduell unsere Emissionen senken. Da haben wir einiges zu tun und da passiert viel. Wo oder wie senkt die OMV ihre Emissionen? Klar, wenn ich die OMV zusperre habe ich null Emissionen. Das machen wir nicht, also braucht es ein Portfolio von Aktivitäten – von Verbesserungen in der Produktion, Ersatz durch erneuerbaren Strom und Wasserstoff, den Einsatz von Bio-Öl und Kunststoffabfällen oder die Reduktion der Methanemissionen. 2050 können wir für die Energieproduktion kein Öl und Gas mehr verbrennen, sonst geht sich „netto null“ nicht aus. Aber in dem Maßnahmenbündel sind gewisse Kompensationsmengen enthalten. Die EU sieht für Öl- und Gaskonzerne auch CO2 -Abscheidung und -Einlagerung vor, die in Österreich verboten sind.
Das Projekt in Rumänien beschert Ihnen einigermaßen schlechte Presse. Neptun Deep ist für Rumänien von höchstem nationalen Interesse. Alle Energieexperten gehen davon aus, dass Europa bis 2050 ein Nettoimporteur von Gas bleiben wird. Ein Großteil der Mengen muss über LNG kommen, aus den verschiedensten Regionen der Welt und mit sehr hohem Energiebedarf. Jetzt haben wir die Möglichkeit, im Schwarzen Meer das größte Gasprojekt der EU umzusetzen.
Rumänien kann so gasautark und Gasexporteur werden. Das Projekt läuft nach den modernsten Standards und wird acht Mal niedrigere CO2 -Emissionen haben als weltweit im Durchschnitt. Das macht umwelttechnisch und auch volkswirtschaftlich Sinn: Warum würde die EU nicht eigene Ressourcen nutzen, um wettbewerbsfähige Energie zur Verfügung zu stellen? Das muss gemacht werden. Werden Sie nächstes Jahr mit den Bohrungen starten? 90 Prozent der Umsetzungsverträge sind vergeben, der Drilling-Rig ist am Weg ins Schwarze Meer und soll in den nächsten Wochen dort ankommen. Aber Genehmigungen brauchen Zeit und diese bedürfen Diskussionen. Wir haben auch in Österreich den größten Gasfund seit Jahren gemacht und müssen kämpfen, damit wir eine zehn Kilometer lange Pipeline bekommen.
Die EU will aber weg von fossilen Brennstoffen, wenn auch nicht zu schnell. Wie geht das zusammen? Wir können die Energiewende nicht herbeireden, sondern müssen sie herbeiarbeiten. Es braucht massive Investitionen und wettbewerbsfähige Bedingungen, nicht irgendwelche Wunschkonzerte. Der große Deal zwischen Ihrer Kunststofftochter Borealis und deren Schwester Borouge hängt weiter in der Luft. Braucht es den wirklich? Borealis ist jetzt Nummer zwei in Europa bei Polyolefine und unter Top Ten global. Borouge ist Nummer zwei im Mittleren Osten. Zusammen wären die beiden automatisch global innerhalb der Top 5. In Kunststoff- und Chemiemärkten bringt Größe gewisse Vorteile. Was wir sehen, ist, dass wir zusätzliche Synergien heben können. Unser Ziel wäre, auch diese potenzielle Firma als Wachstumsplattform zu nützen. Der Deal hätte eine große industrielle Logik, allerdings müssen die Diskussionen im Interesse aller Aktionäre und Stakeholder geführt werden. Das Wichtige ist das Verhandlungsergebnis.
Ökonomen fordern wegen der Budgetprobleme eine Anhebung der Mineralölsteuer. Eine gute Idee? Mir ist es ein Anliegen, den Wirtschaftsstandort Österreich und Europa zu stärken. Die Bürokratie kostet irrsinnig viel und Österreich zählt mit seinen Lohnkosten zu den Spitzenreitern in der EU. Die OMV investiert 40 bis 50 Prozent ihrer jährlichen Investitionen von 3,8 Mrd. Euro in die nachhaltige Transformation. Ohne die OMV wird es keine Energiewende in Österreich geben. Aber wir brauchen wieder realistischere und berechenbarerer Bedingungen. Wir haben soeben die finanzielle Entscheidung für eine Anlage für nachhaltiges Flugkerosin in Rumänien getroffen, die Produktion beginnt 2028. Wenn sich dazwischen die Rahmenbedingungen ändern, ist das wirtschaftlich schädlich für ein solches Multimillionenprojekt. Wir müssen permanent unsere Produktivität erhöhen, die Forderung gilt für alle. Man kann nicht einfach einnahmenseitig korrigieren. Es ist richtig, dass die Mineralölsteuer seit Längerem nicht erhöht worden ist, aber man darf auch nicht vergessen, dass eine CO2 -Steuer auf Treibstoff eingeführt wurde. Nur weil Steuern andere Namen haben, bedeutet das nicht, dass sie nicht steigen. Die Langfassung des Interviews lesen Sie auf www.sn.at
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten