So wie Österreich will auch Spanien die Stromerzeugung aus Erneuerbaren extrem antreiben. Warum Spanien die Nase vorn hat.
Calatrava, so heißen hier viele Orte rund 200 Kilometer südlich von Madrid. Wer auf Google vertraut, landet schnell einmal in der Pampa, etwas verloren zwischen kilometerlangen Olivenplantagen und Rebflächen, die nur dank künstlicher Bewässerung überleben. Auf „Calatrava II“ wird Sonnenstrom geerntet, mit 62.000 Panelen auf 300 Hektar Fläche. Erst auf der Brücke der Autobahnabfahrt, der richtigen, fallen sie auf.
Verbund-Projektleiterin Teresa Gallardo ist froh, dass die Sonne noch so scheint, dass sich die Panelreihen noch neigen. Im Tagesverlauf drehen sie sich von Ost nach West, auch die Panelunterseite produziert Strom, der durch 147 Wechselrichter und Kabel in armdicken Rohren zu den Trafostationen fließt. Was Teresa Gallardo dann erzählt, hätte dem Projekt in Österreich wahrscheinlich das Licht ausgeknipst. „Wir mussten für den Anschluss ans Stromnetz die Autobahn Madrid-Cordoba queren. Unterirdisch“, weist sie zu einer weiter entfernten Hochspannungsleitung. Nach Hin und Her segneten die Behörden eine Bohrung unter der Autobahn ab. Seit Juli ist der Solarpark mit 50 MWp am Netz.
Spanien will wie Österreich die Erneuerbare Stromerzeugung vorantreiben. Der Verbund setzt bei PV und Wind auf Spanien, weil er hier seine Mengenziele zur Ergänzung der Wasserkraft bis 2030 sicher erreichen kann – im Gegensatz zu Österreich. Spaniens Politik räumte Ausbau-Hindernisse bereits 2020 aus dem Weg, erklärt das Beratungsunternehmen EY (Ernst & Young).
Wer PV- oder Windparks bauen will, nimmt an Auktionen teil, muss gute Strompreise bieten und eine Art Netzanschlussgebühr zahlen. Immerhin 40.000 Euro je Megawatt an Leistung. Wer bummelt, verliert das Geld und Zutrittsrecht. Niemand kann Netzanschlüsse blockieren.
„Das sorgt für sehr hohe Verbindlichkeit in der Planung,“ sagt Barbara Schmidt, Geschäftsführerin von Oesterreichs Energie, der Lobbyvereinigung von Österreichs Stromerzeugern. Sie hält das Modell für übertragbar. „In Österreich bleibt oft über Jahre der Planung unklar, wie das Behördenverfahren ausgeht,“ sagt sie. Die jüngsten geplanten Verbesserungen in Form des Stromgesetzes ElWG blieben vor den Wahlen auf der Strecke. Schmidt pocht auf schnelle Umsetzung. „Parteipolitik darf dabei einfach keine Rolle spielen,“ fordert sie.
34 Millionen Euro kostete „Calatrava II“. Weitere 19 PV-Parks folgen bis 2027, zudem einige Windparks. Glaubt man Javier Munoz vom Interessenverband APPA, sind die Zeiten guter Erträge aus Solar- und Windstrom in Spanien vorbei, auch weil der Stromverbrauch sinke statt steige. Explodierte Preise, hohe Inflation, Wirtschaftskrise sind den Spaniern erspart geblieben. Preisdeckel, sieben LNG-Gas-Anlagen und die Regel, dass maximal 50 Prozent der Gasimporte aus einem einzigen Land kommen dürfen, zahlten sich aus.
Der Verbund will 2030 in Spanien Anlagen mit 2.350 Megawatt Leistung betreiben, gut dreimal so viel wie jetzt. Dietmar Reiner, Chef der Verbundtochter Green Power: „Wir streben für 80 bis 85 Prozent der Produktion langfristige Verträge mit großen Abnehmern an.“ Das soll die Profitabilität sicherstellen. Mit dem Braukonzern Anheuser Busch gibt es so einen Vertrag schon.
Die in Madrid ausgelobten Erneuerbaren-Ziele sind ehrgeizig: Ihr Anteil am Energiemix soll bis 2030 von 24 auf 48 Prozent steigen. Sechs Atommeiler gehen bis 2035 vom Netz, der nächste 2028. Pumpspeicher, grünes Gas und Wasserstoff sollen das wettmachen. Der spanische Energieriese Iberdrola betreibt bereits eine der weltweit größten Elektrolysen. Bei Verbund hat vorerst die Wasserkraft Vorrang. Für zwei Pumpspeicherkraftwerke hat Reiner Pläne. Viel mehr verrät er nicht, denn auch hier entscheiden Auktionen.
von Claudia Haase
Kleine Zeitung