Gastbeitrag. Die neue Bürgerenergiegemeinschaft „Fanclub Burgenland Energieunabhängig“ könnte ein Role Model für weitere Bundesländer sein – mit offenen Rechtsfragen.
Mit einer Revolution am Strommarkt wurde die erste Energiegemeinschaft für eine ganze Region, nämlich ein ganzes Bundesland, angekündigt. Zielsetzung der Energiegemeinschaft sei es, jedem im Burgenland (Haushalten, Unternehmen, Gemeinden und Vereinen) die Möglichkeit einzuräumen, immer dann, wenn die Windräder oder die Photovoltaikparks der Energiegemeinschaft Strom produzieren, diesen Strom um zehn Cent netto pro kWh zu beziehen. Dies auf einen Zeitraum von 20Jahren garantiert.
Was auf den ersten Blick – in Zeiten von schwankenden Energiepreisen und Unsicherheiten am Markt – als Utopie anmutet, stellt sich bei näherer Betrachtung als zukunftsfähiges Modell dar, das zugleich auch spannende Rechtsfragen aufwirft.
Die erste landesweite Energiegemeinschaft wurde als Bürgerenergiegemeinschaft (BEG) in der Rechtsform eines Vereins mit dem Namen „Fanclub Burgenland Energieunabhängig“ und Sitz in Mattersburg gegründet.
Strom nutzen oder verkaufen
Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) bzw. Bürgerenergiegemeinschaften ermöglichen natürlichen und juristischen Personen als Mitglieder einer EEG/BEG gemeinschaftlich Energie zu erzeugen, diese zu verbrauchen, zu speichern und zu verkaufen. Daneben steht es Mitgliedern einer EEG/BEG frei, weiterhin Energie vom Markt zu beziehen und den Lieferanten frei zu wählen.
Nicht ohne Grund wurde im Burgenland das Modell der BEG gewählt. Die Teilnahmemöglichkeiten an einer EEG sind im Vergleich zu einer BEG organisatorisch hinsichtlich der Personengruppen sowie technisch stärker eingeschränkt. In Hinblick auf die Personengruppen deshalb, weil große Unternehmen sowie Elektrizitätsunternehmen im Sinne des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG) von der Teilnahme an einer EEG ausgeschlossen sind; und technisch deshalb, weil eine EEG auf das Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz eines Netzbetreibers beschränkt ist. Im Gegensatz dazu darf die BEG netzübergreifend österreichweit tätig werden, und auch Elektrizitätsunternehmen sowie große und mittelgroße Unternehmen können an der BEG teilnehmen.
Eine Teilnahmevoraussetzung für ein (werdendes) Fanclub-Mitglied ist – neben weiteren Voraussetzungen laut Statuten des Vereins –, dass seine Adressen, an denen deren Einspeise- und Bezugszählpunkte angemeldet sind, allesamt innerhalb des geografischen Gebiets des Bundeslandes Burgenland liegen.
Aus rechtlicher Sicht hat die Gebietsbeschränkung der Teilnahme – zumal eine BEG auf eine weitaus größere geografische Fläche ausgeweitet werden könnte – insbesondere zwei Komponenten: Zum einen betrifft dies vereinsrechtliche-, zum anderen gleichbehandlungsrechtliche Vorgaben.
Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob ein Verein jede Person, die einen Antrag stellt, auch in den Verein aufnehmen muss. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Entscheidend ist, was in den Statuten des Vereins steht. In den Statuten sollten die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft (und auch, wer über die Aufnahme entscheidet) klar geregelt sein. Grundsätzlich gilt jedoch, dass ein Verein nicht diskriminieren darf, also die Mitgliedschaft aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht etc. verweigern. Mit anderen Worten: Ein Verein kann in seinen Statuten die Bedingungen festlegen, unter welchen Mitglieder aufgenommen bzw. abgelehnt werden. Es ist also durchaus möglich, nicht jede Person, die einen Antrag stellt, in den Verein aufzunehmen, solange die Gründe für die Ablehnung nicht diskriminierend sind.
Daneben stehen auch gleichbehandlungs-/europarechtliche Überlegungen. Wir alle erinnern uns an die in der Vergangenheit und auch aktuell wieder häufig und kontroversiell diskutierten „Einheimischentarife“ in Skigebieten in westlichen Bundesländern. Auch diesbezüglich wird zur Lösung des „Problems“ eine Vereinsstruktur angedacht. Offen ist allerdings – ähnlich wie bei der BEG mit einem einheitlichen Stromtarif beschränkt auf Vereinsmitglieder in einem Bundesland –, ob diese Lösung auf Dauer, insbesondere im Hinblick auf gleichbehandlungs- sowie europarechtliche Vorgaben tragfähig ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die BEG einen Konnex zur „öffentlichen Hand“ bzw. diesbezüglichen Landesenergieversorgern aufweist.
Da die „öffentliche Hand“ in dieser BEG wohl eine gewichtige Rolle spielen wird, gehen damit unweigerlich vergaberechtliche Fragestellungen einher. Neben der Frage, ob bereits die Gründung einen („eingekapselten“) Beschaffungsvorgang darstellen kann, ist insbesondere die Frage der (vergaberechtlichen) Qualifikation der BEG hinsichtlich der öffentlichen Auftraggeber-Eigenschaft von Relevanz. Im Wesentlichen hängt diese Frage davon ab, ob die „öffentliche Hand“ (insbesondere das Land Burgenland) die BEG beherrscht, also entweder mehrheitlich (mehr als zu 50%) finanziert oder die Leitung maßgeblich beeinflusst, sei es durch entsprechend ausgestaltete Aufsichtsrechte oder dadurch, dass die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane mehrheitlich vom Land Burgenland bzw. „seinen“ Rechtsträgern ernannt werden.
Der Fanclub hat in seinen Statuten geregelt, dass die von den Gründern bestellten Vorstandsmitglieder keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne des Bundesvergabegesetzes (BVergG) sein und/oder in keinem Nahe- bzw. Beherrschungsverhältnis zu einem öffentlichen Auftraggeber stehen bzw. überwiegend von einem solchen finanziert werden. Im Ergebnis wird somit die Frage der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber der BEG bei Einhaltung dieser Vorgaben zu verneinen sein.
Beschaffung vergaberechtlich zu prüfen
Kritisch könnte aber die Beteiligung burgenländischer Gemeinden an der BEG mit dem Zweck, Strom zu beziehen, sein. Dieser Vorgang des reinen Strombezugs ist klar als Beschaffungsvorgang und damit dem Vergaberecht unterliegend zu qualifizieren. Wohl aus diesem Grund haben Mitgliedsbewerber – laut Vereinsstatut – vor Erwerb der Mitgliedschaft eigenständig zu prüfen, ob durch den Beitritt sowie durch die Rechte und Pflichten, die mit einer Mitgliedschaft einhergehen, der Anwendungsbereich des BVergG eröffnet ist.
Im Ergebnis ist das Konzept einer landesweiten BEG aus unserer Sicht ein sowohl spannendes als auch ambitioniertes: Spannend insofern, als durch die Gründung einer landesweiten BEG tatsächlich eine faktische „Kontrolle“ über den Strompreis geschaffen werden kann. Ambitioniert, da insbesondere die Einschränkung des Mitgliederkreises auf eine Region und gleichzeitig die Beteiligung der „öffentlichen Hand“ – wie dargestellt – einige Rechtsfragen aufwirft. Unbestritten stellt das Konzept aber eine kleine Revolution in der bisherigen Betrachtungsweise von Energiegemeinschaften dar.
Armin Gamsjäger ist Associate, Josef Peer Rechtsanwalt bei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte.
von Armin Gamsjäger und Josef Peer
Die Presse