Interview. EVN Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz im Gespräch über Innovationen, erneuerbare Energien und das größte Hindernis in der Energiewende
Was war das Innovativste, das Sie in letzter Zeit umgesetzt haben?
Stefan Szyszkowitz: Rankings bei Innovationen sind sehr schwierig, weil jede Innovation ein Puzzlestück für das Gelingen der Energiezukunft ist. Aber die beiden Projekte, die in letzter Zeit die meiste Aufmerksamkeit erreicht haben – auch international – waren beides wegweisende Pilotprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien.
Welche sind das konkret?
In Grafenwörth haben wir eine der größten schwimmenden PV-Anlage Europas errichtet. Ein wichtiger innovativer Ansatz für die Frage, wo wir Flächen für den notwendigen Ausbau der Photovoltaik finden, ohne wertvolle Ackerflächen zu benötigen. In Haunoldstein haben wir die europaweit erste Bürgerenergiegemeinschaft mit Windkraft ins Leben gerufen. Die sensationelle Eigenverbrauchsabdeckung von über 90 Prozent und die hohen Zufriedenheitswerte der Bevölkerung vor Ort beschert uns viele Anfragen und Besuche aus dem In- und Ausland.
Bei der EVN gibt es ein eigenes Innovationsteam. Mit welchen Themen beschäftigt sich dieses derzeit?
Die Aufgabe dieses Teams besteht im Wesentlichen, die Innovationen innerhalb der EVN Gruppe zu koordinieren und die einzelnen Bereiche zu unterstützen. Das verbindende Element der aktuellen Innovationen ist sicher die Nachhaltigkeit: All diese Projekte bereiten den Weg in eine erneuerbare Energiezukunft.
Welche Ziele verfolgen Sie in puncto erneuerbare Energiezukunft?
Wir haben uns mit der EVN Klima-Initiative das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2034 rund 60 Prozent unserer Treibhausgase einzusparen. Dafür investieren wir jährlich rund 700 Mio. Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netzinfrastruktur und in sauberes Trinkwasser in Niederösterreich.
Wie wird die Energieversorgung der EVN klimaneutral?
Durch den konsequenten Ausbau der eigenen Erzeugungsressourcen mit Fokus auf Windkraft und Photovoltaik, sowie große Investitionen in die nachhaltige Wärmeversorgung – etwa Geothermie oder Großwärmepumpe.
Welche Rolle wird der Kunde in Zukunft in der Energieverteilung und im Verbrauch spielen?
So wie sich unsere Energiesysteme laufend entwickeln, verändert sich auch die Rolle unserer Kundinnen ständig. Schon heute spielen unsere Kundinnen zentrale Rollen, die über das typische Verbraucher-Dasein hinaus gehen: etwa als Sonnenstromproduzenten, als Speicherbetreiber, als E-Mobilisten oder als Teilnehmer*innen von Erneuerbaren Energiegemeinschaften.
Speichersysteme sind ein Schwerpunkt der Zukunft. Allerdings stehen wir hier erst am Anfang. Wo soll die Reise hingehen?
Speicher sind eine der Schlüsseltechnologien der erneuerbaren Energiezukunft. Und es gibt hier Bereiche, in denen wir schon recht weit sind. Etwa bei der Frage der kurzfristigen Speichersysteme – hier gibt es mit den stark sinkenden Preisen für Batteriespeicher schon Lösungen, die bereits in vielen Haushalten zusätzlich zu PV-Anlagen eingebaut werden. Gleichzeitig sammeln wir laufend Erfahrungen bei Großspeicherbatterien.
Welche Herausforderung steht Österreich hier bevor?
Die große Frage, die die Energiewirtschaft in Österreich treibt, ist die der saisonalen Speicherung – also die Frage, wie wir es 2030 schaffen den prognostizierten Energieüberschuss im Sommer für den Winter zu speichern. Hier verfolgen wir eine Reihe an unterschiedlichen Speicherkonzepten. Eine davon ist die Umwandlung von Strom in ein speicherbares Gas wie Wasserstoff oder Methan und die Einlagerung in ehemalige Gasförderstätten.
Wird Wasserstoff viele unserer Probleme lösen?
Wasserstoff ist ein wichtiger Puzzlestein am Weg in eine erneuerbare Energiezukunft – als Rohstoff, aber auch als Speichermedium von wertvollem Ökostrom. All unsere Probleme wird aber auch der Wasserstoff nicht lösen können. Da ist etwa die Frage, wo die benötigten Mengen herkommen können und in welche Abhängigkeit man sich begibt.
Was halten Sie für das größte Hindernis bei der Energiewende?
Die fehlenden gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es ist schade, wenn notwendige Projekte technisch möglich sind, sie aber aufgrund dieser Hindernisse nicht in der geforderten Geschwindigkeit umgesetzt werden können.
Welche gesetzlichen Änderungen braucht es für eine innovative Energieversorgung?
Alleine, wenn es Bewegung bei den großen Gesetzesnovellen, wie dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz gäbe, wäre das schon ein großer Schritt.
Welches Bild zeichnet sich, wenn die Energiewende gelungen ist?
Ein Bild der wirtschaftlichen Prosperität, bei der Niederösterreich nicht nur nachhaltiger mit Energie versorgt wird, sondern sich dadurch auch heimische Wertschöpfung gesichert und sich unabhängiger von ausländischen Energielieferungen gemacht hat.
Kurier